Große deutsche Humoristen – Joachim Ringelnatz und sein Kuttel-Daddel-Du

Mein heutiges Sonntagsschmankerl

Joachim Ringelnatz (* 7. August 1883 in Wurzen; † 17. November 1934 in Berlin; eigentlich Hans Gustav Bötticher) war ein deutscher Schriftsteller,Kabarettist und Maler, der vor allem für humoristische Gedichte um die Kunstfigur Kuttel Daddeldu bekannt ist.

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Joachim Ringelnatz wurde am 7. August 1883 unter dem bürgerlichen Namen Hans Gustav Bötticher in dem kleinen Ort Wurzen nahe Leipzig geboren. Bereits seine Eltern waren kreative und künstlerisch tätige Menschen. Sein Vater arbeitete als Musterzeichner und veröffentlichte später Kinderbücher und humoristische Verse. Die Mutter zeichnete ebenfalls, sie entwarf Mustervorlagen für Perlenstickereien. Außerdem stellte sie Puppenbekleidung her. Eine behütete Kindheit und eine schwere Schulzeit, diese beiden Merkmal prägten Joachim Ringelnatz. Er wurde oft von seinen Klassenkameraden gehänselt. Nachdem er wegen eines Streiches das Gymnasium verlassen musste, beendet er seine wenig erfolgreiche Schullaufbahn auf einer privaten Realschule.

Obwohl ihn das künstlerische Schaffen seiner Eltern, insbesondere seines Vaters, sehr beeindruckte, wollte er zunächst Seemann werden. Doch die Laufbahn als Matrose fand ein rasches Ende. Auch hier war er wieder Zielscheibe von Hänseleien. Klein von Gestalt, mit einer mädchenhaften Frisur und von einer übergroßen Nase gezeichnet, wurde er von der Schiffsbesatzung nicht akzeptiert. Ringelnatz begann zu schreiben und hielt sich gleichzeitig mit Aushilfsarbeiten über Wasser. Hier hatte er keinerlei Berührungsängste. So arbeitete er zum Beispiel als Schaustellergehilfe und Schlangenträger auf dem Hamburger Dom, einem bekannten Jahrmarkt.

Joachim Ringelnatz

https://de.wikisource.org/wiki/Joachim_Ringelnatz

Seine ersten schriftstellerischen Versuche, Gedichte, Anekdoten und Märchen, veröffentlichte er in der satirischen Zeitschrift „Grobian“. Sein Lebensweg führte ihn von einer Gelegenheitsarbeit zur nächsten. Ringelnatz war oft ganz am Boden, litt Hunger und schien zu einem erfolglosen Künstlerleben verdammt. Immer wieder versuchte er sich auch auf der Bühne. Er trat als Sänger und Kabarettist auf. Dann veränderte im Jahr 1909 ein Engagement in der bekannten Münchner Künstlerkneipe Simplicissimus sein Leben. Er wurde gewissermaßen dort Hausdichter und veröffentliche seine Werke in der gleichnamigen Zeitschrift. Der finanzielle Erfolg war Ringelnatz zwar niemals beschieden, er musste sein Leben lang sparen und geriet immer wieder in schwierige Lagen. Jedoch arbeitete er nun beständig an seinen Gedichten und fand in der Kombination von Humor, Satire und Zeitkritik seine lyrische Heimat.

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Das geheime Kinderspielbuch

https://de.wikisource.org/wiki/Geheimes_Kinder-Spiel-Buch

1920 heiratete Joachim Ringelnatz die Lehrerin Leonharda Pieper. Das Paar zog nach Berlin, dort trat er erfolgreich im Kabarett auf. Häufig war er als reisender Künstler unterwegs, er bezeichnete sich selbst als Artist. Unter dem nationalsozialistischen Regime traf Ringelnatz schließlich ein Auftrittsverbot. Er litt an Tuberkulose, seine angeschlagene Gesundheit verschlimmerte die finanzielle Lage zusätzlich. Bis zu seinem Tod am 17. November 1934 überlebte das Paar überwiegend durch private Zuwendungen von Freunden.

Er hinterließ ein beeindruckendes Werk. Die Gedichte von Joachim Ringelnatz sind scharfzüngig und bringen in brillanter Poesie Missstände auf den Punkt. Einen ebenso großen Raum nimmt seine sogenannte Unsinnspoesie ein. Hier zeigt er sich als Dichter, der mit Wortwitz und Charme bis hin zur Groteske die Sprache beherrscht.

Während er zu Beginn seines Schaffens noch sentimentale oder ernste Gedichte im Zeitgeist der Romantik verfasste, entwickelte er im Lauf der Jahre immer mehr seinen eigenen Stil. Oft ist bei Ringelnatz die Form des Erzählgedichtes zu finden. Zu seinen bekanntesten Werken gehört der Lyrikband mit den Balladen und Moritaten rund um die von ihm geschaffene Figur Kuttel Daddeldu. Er verwendete hier ein freies Versmaß und bewies schwarzen Humor. Ringelnatz veröffentlichte außerdem Novellen und Kinderbücher.

Ach wie schön, dass Du geboren bist!

Joachim Ringelnatz

Ach wie schön, dass Du geboren bist!
Gratuliere uns, dass wir Dich haben,
dass wir Deines Herzens gute Gaben
oft genießen dürfen ohne List.Deine Mängel, Deine Fehler sind
gegen das gewogen harmlos klein.
Heut nach vierzig Jahren wirst Du sein
immer noch ein Geburtstagskind.Möchtest Du: nie lange traurig oder krank
sein. Und nicht Hässliches erfahren. –
Deinen Eltern sagen wir fröhlichen Dank
dafür, dass sie Dich gebaren.Gott bewinke Dir
alle Deine Schritte;
Ja, das wünschen wir,
Deine Freunde und darunter (bitte)

Ich wollte Dir was dezidieren

Joachim Ringelnatz

Ich wollte Dir was dezidieren,
nein schenken; was nicht zuviel kostet.
Aber was aus Blech ist, rostet,
und die Messinggegenstände oxydieren.Und was kosten soll es eben doch.
Denn aus Mühe mach ich extra noch
Was hinzu, auch kleine Witze.
Wär bei dem, was ich besitze,
etwas Altertümliches dabei –
doch was nützt Dir eine Lanzenspitze!An dem Bierkrug sind die beiden
Löwenköpfe schon entzwei.
Und den Buddha mag ich selber leiden.
Und Du sammelst keine Schmetterlinge,
die mein Freund aus China mitgebracht.Nein – das Sofa und so große Dinge
kommen überhaupt nicht in Betracht.
Außerdem gehören sie nicht mir.
Ach, ich hab die ganze letzte Nacht
rumgegrübelt, was ich Dir
geben könnte. Schlief deshalb nur eine,
allerhöchstens zwei von sieben Stunden,
und zum Schluss hab ich doch nur dies kleine,
lumpige verschlissne Ding gefunden.Aber gern hab‘ ich für Dich gewacht.
Was ich nicht vermochte, tu Du’s: Drücke Du
nun ein Auge zu
und bedenke,
dass ich Dir fünf Stunden Wache schenke.
Lass mich auch in Zukunft nicht in Ruh.

http://gedichte.woxikon.de/autoren/joachim-ringelnatz

Joachim Ringelnatz im Jahr 1897 (2. v. r.)

Unbekanntes Ringelnatz-Foto entdeckt

Historikerglück: Dieses (vermutlich) bislang unbekannte Jugendfoto von Joachim Ringelnatz (bürgerlich: Hans Bötticher) habe ich in der Fotothek des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig entdeckt! Es zeigt Ringelnatz (2. v. r.) im Sommer 1897 im Kreise seiner Familie im „Bötticher’schen Garten“. Er befand sich in der Poniatowskistr. 12, heute Gottschedstraße.

Bumerang

War einmal ein Bumerang;
War ein Weniges zu lang.
Bumerang flog ein Stück,
Aber kam nicht mehr zurück.
Publikum – noch stundenlang –
Wartete auf Bumerang.

http://www.ringelnatz.net/ringelnatz_claus_boysen/

Die Schnupftabaksdose

Es war eine Schnupftabaksdose
Die hatte Friedrich der Große
Sich selbst geschnitzelt aus Nußbaumholz.
Und darauf war sie natürlich stolz.Da kam ein Holzwurm gekrochen.
Der hatte Nußbaum gerochen
Die Dose erzählte ihm lang und breit.
Von Friedrich dem Großen und seiner Zeit.

Sie nannte den alten Fritz generös.
Da aber wurde der Holzwurm nervös
Und sagte, indem er zu bohren begann
„Was geht mich Friedrich der Große an!“

Das Herz sitzt über dem Popo

Joachim Ringelnatz

Das Herz sitzt über dem Popo. –
Das Hirn überragt beides.
Leider! Denn daraus entspringen so
Viele Quellen des Leidens.

Doch ginge uns plötzlich das Hirn ins Gesäß
Und die Afterpracht in die Köpfe,
Wir wären noch minder als hohles Gefäß,
Nur gestürzte, unfertige Töpfe.

Herz, Arsch und Hirn, – Ich ziehe retour
Meine kleinliche Überlegung. –
Denn dieses ganze Gedicht kommt nur
Aus einer enttäuschten Erregung.

http://www.ringelnatz.net/

Harry Rowohlt liest Joachim Ringelnatz

Veröffentlicht am 04.05.2013

Harry Rowohlt liest einen Teil eines Werks des Schriftstellers und Kabarettisten Joachim Ringelnatz, von dem Rowohlt auch bei den Ruhrfestspielen 2013 etwas vorlesen wird.

Ringelnatz: Kuttel Daddeldu erzählt seinen Kindern das Märchen vom Rotkäppchen (Hörbuch)

Joachim Ringelnatz Lied aus einem Berliner Droschkenfenster

Aus dem Geheimen Kindespielbuch

Das Doktor-Knochensplitter-Spiel

Dazu braucht man nicht viel.
Nur ein Gänse- oder Hühnerknöchelchen.
Du, Berta, bohrst ein Löchelchen
Ins Sofa und schiebst das Knöchelchen

5

Weit rein, doch immer dicht unter die Sofahaut,
Daß man’s von außen wie Knorpel anfassen kann,
Was wie Geschwulst ausschaut.
Das Sofa ist dann dein Mann.
Ich bin der Doktor Frank.

10

Du sagst: „Mein Mann ist so krank.“
Ich fühle und sage mit ernster Miene:
„Er hat einen Splitter im Herzen sitzen,“
Und nehme das Ölkännchen von eurer Nähmaschine,

[13] Um erstmal Betäubung in das Geschwür einzuspritzen.

15

Nun kommt die Operation; das ist das Schwere.
Ich nehme ein Messer und eine Schere.
Du nimmst ein Handtuch und fürchtest dich, zuzusehn;
Darum drückst du die Augen zu.
Ich tu einen scharfen Schnitt, greife dann

20

— daß muß wie der Blitz geschehn —
Mit der Zange (das ist die Schere) im Nu
Den Knochen aus deinem Mann.
Weil, wenn ich ihn nicht beim ersten Male geschickt
Gleich rausbekomme, — ist die Operation mißglückt.

25

—          —          —          —
Das nächste Mal bist du Doktor Frank,
Und mein Mann ist krank.
—          —          —          —
Angst darfst du nicht haben. Denn meine und deine

Eltern können uns — — — Weißt du, was ich meine?!?

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Volkslied

Wenn ich zwei Vöglein wär,
Und auch vier Flügel hätt,
Flög die eine Hälfte zu dir.
Und die andere, die ging auch zu Bett,

5

Aber hier zu Haus bei mir.

Wenn ich einen Flügel hätt
Und gar kein Vöglein wär,
Verkaufte ich ihn dir
Und kaufte mir dafür ein Klavier.

10

Wenn ich kein Flügel wär
(Linker Flügel beim Militär)
[27] Und auch keinen Vogel hätt,
Flög ich zu dir.
Da’s aber nicht kann sein,

15

Bleib’ ich im eignen Bett
Allein zu zwei’n.

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Sich interessant machen
(Für einen großen Backfisch)

Du kannst doch schweigen? Du bist doch kein Kind
Mehr! — Die Lederbände im Bücherspind
Haben, wenn du die umgeschlagenen Deckel hältst
Hinten eine kleine Höhlung im Rücken.

5

Dort hinein mußt du weichen Käse drücken.
Außerdem kannst du Käsepropfen
Tief zwischen die Sofapolster stopfen.
—          —          —          —
Lasse ruhig eine Woche verstreichen.

10

Dann mußt du immer traurig herumschleichen.
Bis die Eltern nach der Ursache fragen.
Dann tu erst, als wolltest du ausweichen,
Und zuletzt mußt du so stammeln und sagen:
[23] „Ich weiß nicht, — ich rieche überall Leichen —.“

15

—          —          —          —
Deine Eltern werden furchtbar erschrecken
Und überall rumschnüffeln nach Leichengestank,
Und dich mit Schokolade ins Bett stecken.
Und zum Arzt sage dann: „Ich bin seelenkrank.“

20

—          —          —          —
Nur laß dich ja nicht zum Lachen verleiten.
Deine Eltern — wie Eltern so sind —
Werden bald überall verbreiten:
Du wärst so ein merkwürdiges, interessantes Kind.

https://de.wikisource.org/wiki/Sich_interessant_machen

Deutsche Humoristen: Otto Reutter – „Ick wundre mir über jarnischt mehr“

Mein heutiges Sonntagsschmankerl ist: Otto Reutter (* 24. April 1870 in Gardelegen; † 3. März 1931 in Düsseldorf; eigentlich Friedrich Otto August Pfützenreuter)[1] war ein deutscher Sänger,Verfasser von Liedern und Komiker.

Otto Reutter – einer der großen deutschen Humoristen des 20. Jahrhunderts

Er war ein Meister des Couplets, Zeilenpaares, welches politische Themen satirisch – mit markantem Refrain, eine Art Sprechgesang, aufgriff.

Als Sohn von Andreas Pfützenreuter (1843–1899), einem Handlungsreisenden, der beim Militär bei den Ulanen diente, stammte er väterlicherseits aus einer katholischen Familie aus dem Eichsfeld, mütterlicherseits aus der Altmark. Reutter besuchte die katholische Volksschule in Gardelegen und absolvierte von 1884 bis 1887 eine Lehre als kaufmännischer Gehilfe in Gardelegen, Worbis und Lychen. Im Sommer 1887 war er Statist in „Fröbels Sommertheater“ in Berlin. Ein erster großer Erfolg war der 1898 im amerikanischen Musikverlag The B.F.Wood Music Company Boston erschienene Schlager „Ich bin eine Witwe (Lied und Rheinländer)“ mit Musik von Wilhelm Aletter.

 

 

 

Das dank‘ ich dir, du schöne Rentenmark!

1.
Ich bin ein Deutscher – kennt ihr meine Lieder?
Der Rentenmark will ich mein Loblied weih’n.
Das Deutsche Reich, es lag sehr schwer darnieder –
jetzt wird’s allmählich wieder besser sein.
Nach vielen bangen Wochen,
kriegt’s Mark jetzt in die Knochen.
Auch ich fühl‘ jetzt den Kummer nicht so arg,
das dank‘ ich dir, du schöne Rentenmark.

2.
Man konnt‘ nicht rechnen bi dem Notendrucke,
die Nullen machten uns den Schädel dumm.
Man wurde bös, nervös, verrückt, meschugge –
ein Nullenrad ging uns im Kopf herum.
Im Magen keine Stullen,
im Kopfe lauter Nullen – –
jetzt sind die Summen wieder klein und karg –
das dank‘ ich dir, du schöne Rentenmark.

3.
So’n Schieber heut‘, der ist jetzt nicht mehr oben –
aus allen Wolken fiel er tief und schwer.
Er glaubt‘ zu schieben und er ward geschoben,
kann nicht mehr schlemm’n, sitzt nicht im Auto mehr,
sucht’s Geld jetzt mit der Lupe –
’s langt nicht mal für die Hupe –
er geht zu Fuß, schließt seinen Autopark –
das dank‘ ich dir, du schöne Rentenmark.

4.
Wie war der Kaufmann früher patzig, trotzig –
gab nicht für schweres Geld die Ware her –
jetzt ward er freundlich, ist er nicht mehr protzig –
für jeden Hering macht ’nen Bückling er –
beugt sich zur Erde nieder:
„Beehr’n Sie mich bald wieder!“
Gibt uns ’nen Kuß für jeden Käse-Quark,
das dank‘ ich dir, du schöne Rentenmark.

5.
Für’s Ausland schwärmte sonst ein jedes Mädel,
uns arme Deutsche liebte keiner mehr.
Ein Dollar schon verdrehte ihr den Schädel
doch kommt jetzt mal ’n Amerikaner her,
dann hat sie abgewandt sich.
„Die lump’gen vier Mark zwanzig!
Komm‘, Deutscher, Du – Dich lieb‘ ich treu und stark.“ –
Das dank‘ ich dir, du schöne Rentenmark.

6.
Wie war’n bisher die Steuern ungeheuer –
bei all den Summen packte uns ein Graus.
Jetzt zahlt man mit Vergnügen seine Steuer –
man zahlt nach Mark – das sieht viel wen’ger aus.
Man zahlt nicht nach Billionen –
der Fiskus will uns schonen –
man zahlt zwar mehr – doch scheint es nicht so arg –
das dank‘ ich dir, du schöne Rentenmark.

7.
Wir können fröhlich leben jetzt und prassen,
so mancher aß sich früher nicht mehr satt.
Man konnte sich nicht mal begraben lassen –
jetzt lebt man fein, wenn man – – – viel Marken hat.
Die nicht genügend haben,
die lassen sich begraben,
es langt auf jeden Fall jetzt für ’nen Sarg,
das dank‘ ich dir, du schöne Rentenmark.

8.
Doch Scherz bei Seit‘ – die Mark, sie sei gepriesen,
die der Valuta jetzt ein Ziel gesetzt.
Wir sind kuriert – wir pfeifen auf Devisen –
die Rentenmark ist die Devise jetzt.
Eins freut mich mehr wie Alles:
in Frankreich herrscht der Dalles –
der Frank, er fiel – wir werden wieder stark.
Das dank‘ ich dir, du Konkurrentenmark.

Das sind die Sorgen der Republik

In diesen Zeiten kann man gewahren
viele ernste Leute – fast niemand lacht.
Nun hätt‘ ich gerne schon längst erfahren,
was sich jetzt jeder für Sorgen macht.
In meinem Hause wohn’n vier Parteien.
„Besuch‘ sie“, dacht‘ ich, „und üb‘ Kritik,
dann wirst du hören aus ihren Reihen:
Was sind die Sorgen der Republik?“

1.
Im ersten Stocke saß voller Kummer
mit gleichen Antlitz ein – Millionär,
das Elend Deutschlands raubt ihm den Schlummer,
und die Familie denkt grad‘ wie er.
Die Söhne, Töchter, Frau Luise,
„Nur noch Devisen“ ist die Devise.
Ja, selbst der Enkel kriegt zum Pläsierchen
von Großpapachen ein klein’s Papierchen.
Und seufzt das Knäblein, dass kaum geboren:
„Ach, wenn doch morgen der Dollar stieg!
Wenn jetzt die Mark steigt, bin ich verloren!“
Das sind die Sorgen der Republik.

2.
Im zweiten Stocke saß gramversunken
’ne Metzgerswitwe, die seufzt gequält:
„Bin reich geworden, kann prahl’n und prunken,
wat nützt det allens – die Bildung fehlt.
Könnt‘ man die koofen!“ So seufzt leise.
Sie schwärmte stets für die höh’ren Kreise –
wollt‘ stets der Tochter ’nen Leutnant wählen.
Nun hat sie’s Geld, und die Leutnants fehlen.
Sie sagt: „Ick hasse die neuen Reichen,
wohl sind die vor’gen? Fort seit dem Krieg – –
man muss verkehren mit – seinesgleichen!“
Das sind die Sorgen der Republik.

3.
Im dritten Stocke hat sich erhoben
ein welker Jüngling mit ernstem Sinn.
Hat viel geschoben – nun is er oben,
da gehend & unten Was mach‘ ich? – Wo geh‘ ich hin?
Soll ich beim Foxtrott, im Club nicht zeigen?
Geh‘ ich zum Boxkampf, geh‘ ich zum „Reigen“?
Ob’s Beinkleid wohl zum 5 Uhr-Tee passt?
Ob die Krawatte zum Cutaway passt?
Und wenn die Weste nicht recht gesessen,
was ich dann morgen zu hören krieg‘!
Bleibt ein Knopf offen? Nur nichts vergessen!“
Das sind die Sorgen der Republik.

4.
Im vierten Stocke, den ich erstiegen,
da saß ein Mitglied vom Parlament.
Der Mann am Tische hat ernst geschwiegen,
vor sich ’nen Bogen aus Pergament.
Ich fragt: „Was wird das, Sie Mann, sie weiser?
‚Wird ein Entwurf wohl für Wohnungshäuser?
Wird’s ’ne Tabelle für Arbeitsfragen?“

http://www.otto-reutter.de/index.php/couplets/texte/429-man-wird-ja-so-bescheiden.html

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In der Zeit des Ersten Weltkrieges produzierte Reutter ab 1915 im angemieteten „Palasttheater am Zoo“ in Berlin sogenannte „Kriegsrevuen“, ab Ende 1916 sang er eher Lieder, in denen das Geschehen und die allgemeine Meinung teilweise kritisch als humorvoll dargestellt wurde. So erzählt das Lied Ich möcht’ erwachen beim Sonnenschein eher melancholisch, teilweise sogar sehr traurig über die allgemeine Stimmung in der Nachkriegszeit und Reutters Verlust seines Sohnes Otto Reutter jun. (geb. 1896) in der Schlacht um Verdun im Mai 1916.

In den 1920er Jahren trat Otto Reutter mit jenen Couplets vor allem im Wintergarten auf, die heute noch bekannt sind und die u. a. von Peter Frankenfeld, Robert Kreis, Markus Schimpp, Meigl Hoffmann und anderen Interpreten vorgetragen und umgesetzt wurden. Insgesamt soll er über 1000 Couplets verfasst haben. Nachgewiesen sind rund 400 Couplets, die in diversen Schallplatten-Aufnahmen und Notendrucken erhalten sind. Reutters Couplets wurden häufig auch von anderen Humoristen, wie Gustav Schönwald oder Armin Berg vorgetragen. Hiervon gibt es ebenfalls Schallplatten-Aufnahmen. Die Schallplattenaufnahmen von Otto Reutter wurden teilweise von einem Orchester begleitet (Grammophon-Studioorchester unter der Leitung von Bruno Seidler-Winkler, später vom Paul-Godwin-Ensemble unter Leitung von Paul Godwin), teilweise hatte er eine Klavierbegleitung.

Otto Reutter betätigte sich auch als Schauspieler. So spielte er 1912 in zwei Kurzfilmen mit, Otto heiratet und Otto als Dienstmann. Möglicherweise war er auch an den Filmen Otto, der Kinostar und der Dackel und Otto hat Pech beteiligt, diese Filme weisen aber außer im Titel nicht auf Otto Reutter als Mitwirkenden hin. Von den vier Filmen existieren keine Exemplare mehr, lediglich drei Standbilder sollen erhalten sein. Er spielte außerdem in verschiedenen Filmen als Statist mit, unter anderem in einem Film über den Hauptmann von Köpenick.  Quelle wikipedia.org

Seine Texte sind hintergründig und auf den Punkt, vieles sagt er voraus, was heute Alltag ist, wenn man mal zwischen den Zeilen liest.

 

 

In seinen Couplets sah er nicht nur gesellschaftliche Ereignisse voraus, sie spendeten auch Trost in Zeiten der Entbehrung. Allerdings folgten seine Couplets immer dem jeweiligen Zeitgeschmack und den Tagesereignissen. Man lachte mit der Menge des Volkes über den Erbfeind, über den Reichstag, über dasWunderpferd Hans, über die Gewerkschaft, über die Frau. Reutter forderte in einem Couplet der 1920er Jahre sogar einen neuen starken Führer, damit es vorwärtsgehen sollte – wenngleich er sich sicher dabei nicht einen Adolf Hitler vorstellte. Seine Couplets zeigen somit den damaligen Zeitgeist recht eindrucksvoll. Auch sein heute noch wohl bekanntestes Couplet, Der Überzieher, stammt aus dieser Zeit. (Seh ich weg – von dem Fleck / Ist der Überzieher weg!)

Otto Reutter „Muss man denn ins Ausland reisen?“

Otto Reutter – Ick wundere mir über jarnischt mehr

Otto Reutter – Bevor du sterbst

Zum Abschluß noch einmal Walter Plathe

 Walther Plathe 

In 50 Jahren ist alles vorbei

Deutsche Humoristen – Heinrich Zille „Det is mein Milljöh“

Weiter geht es mit der Serie Sonntagsschmankerl mit Heinrich Zille.

Selbstporträt (1922) wikipedia.org

Wer Berlin kennt, kennt ihn, den ollen Zille, der dem Volk auf´s  Maul schaute und ihm ein ewiges Andenken beschert hat. Er war sozialkritisch und nahm kein Blatt vor den Mund. Damals konnte man sich das noch leisten. Mehr als heute!!!

Aber ursprünglich war der Zille kein Berliner, nee, nee, er war waschechter Sachse und kam aus Radeburg bei Dresden. Er war Graphiker, Fotograf und Maler. Der englische Zeichner William Hogarth prägte ihn in seiner Jugend, von ihm lernte er wohl sozialkritisches Denken.

Seine Familie war arm, der Vater mußte mehrmals in´s Gefängnis, weil er seine Schulden nicht bezahlen konnte. Die Familie bezog ihr Essen aus der Volksküche, so etwas gab es damals schon, damals im späten 19. Jahrhundert.

Der kleine Heinrich mußte schon früh mit ran, Geld verdienen durch  Milch, Brötchen und Zeitungen austragen, Gepäckträger- und Botendienste; dadurch konnte er sich seinen ersten Zeichenunterricht verdienen.

Sein erster Lehrer war Anton Spanner, der ihn ermutigte, Lithograph zu werden.

Zitat Anton Spanner:  „Das beste is, du lernst Lithograph. Zeichnen kannste, und du sitzt in ’ner warmen Stube, immer fein mit Schlips und Kragen […] man schwitzt nicht und bekommt keine schmutzigen Hände. Und dann wirst du mit ‚Sie‘ angeredet. Was willst du mehr?“

Sein Vater wollte gerne, daß Heinrich Metzger würde, er konnte aber kein Blut sehen – und so kam er zu Fritz Hecht in die Lehre als Steinzeichner.

Zilles Berlin: Rummelplatz von hinten

Zilles Berlin: Rummelplatz von hinten – Verfallende Hinterhöfe, Jahrmarktbuden, Latrinen: Um 1900 fotografierte der Karikaturist Heinrich Zille das Berlin der armen Leute – ganz ohne Spott. http://www.spiegel.de/

Seine ersten Berufsjahre mußte Heinrich als Angestellter verbringen; Auftragsarbeiten wie Kitsch- und Werbemotive zeichnen, um sein Brot zu verdienen. Nebenher entwickelt er seine Techniken weiter.

Nach der Ableistung des für ihn unliebsamen Militärdienstes und seiner Heirat mit der Lehrerstochter  Hulda Frieske übersiedelte er mit seiner Familie nach Berlin.

In den zwei Jahren Dienstzeit entstanden unzählige episodische Soldatenbilder mit vorwiegend humorvollem Charakter, viele dieser Arbeiten sind jedoch verschollen.

Einige sind erhalten, so diese hier:

 

Heinrich Zille: Vadding in Frankreich, 1. Folge

Quelle: Wikimedia – Wikipedia – Wikisource

https://de.wikipedia.org

Zille auf plattdütsch

»Tagesarbeit, ernster Wille,
nachts ’n Schluck in de Destille
und een bisken kille-kille,
det hält munter – Heinrich Zille.«

Da biste platt! Der Zeichner Heinrich Zille hat nicht nur den Berlinern aufs Maul und den Berlinerinnen auf den Hintern geschaut, sondern auch eine Komik-Kolumne auf Plattdeutsch ausgeheckt. Diese einbildrigen Comics brachten es auf über 200 Fortaetzungen und gelangten später als Postkarten in Umlauf. Im Mittelpunkt standen die beiden gutmütlichen Landsturmmänner Vadding un Korl, die ihre privaten Erlebnisse an der Front mit einem kleinen Bonmot kommentierten. Wir befinden uns übrigens mit der Wehrmacht im Ersten Weltkrieg – und da steckt das Dilemma, weshalb die Bilderreihe in Vergessenheit geriet.

freestland.wordpress.com

Heinrich Zille als junger Familienvater

Hier widmete er sich immer mehr dem Millieu der Arbeiterfamilien, sprich der proletarischen Unterschicht. Hinterhöfe der Mietskasernen, Seitengassen und Kaschemmen der Arbeiterviertel waren seine Motive.

Das gefiel den Herren der Photographischen Gesellschaft, der er seit Jahren angehört hatte, gar nicht und er wurde 1907 entlassen.

„Drücken musste!“ (Heinrich Zille: Mein Milljöh (1913)) wikipedia.org

 

https://de.wikipedia.org

„Wat – ick habe den Hahn überdreht? – Det hat die Vorichte jedahn! Der lief schon, als ick kam!“

Heinrich Zille kort na de Eerste Wereldoorlog

wereldoorlog1418.nl

Ausschnitte aus  seinem Werk

Zille, Heinrich : H.Zille, Mutter mit zwei K...

Mutter mit zwei Kindern

Zille, Heinrich : H.Zille, Ringkampf in der ...

Ringkampf in der Schaubude

Zille, Heinrich : Im Arbeiterviertel

Im Arbeiterviertel

Zille, Heinrich : Heinrich Zille, Müllsammle...

Müllsammler

Zille, Heinrich : Berliner Strandleben

Berliner Strandleben

Quelle und viele weitere Bilder kann man hier nachverfolgen:kunstkopie.de

„Um die Jahrhundertwende konnte Heinrich Zille erste Zeichnungen ausstellen und in Zeitschriften wie Simplicissimus, Jugend – Münchener Illustrierte Wochenschrift für Kunst & Leben und Die Lustigen Blätter veröffentlichen“. wikipedia.org

Seine Lieder waren berühmt, und viele kennen sie noch. Claire Walldorf war eine sehr bekannte Interpretin.

Paul Heidemann – Sein Milljöh (Das Lied vom Vater Zille)

Veröffentlicht am 01.12.2014

Plattensammler88 auf Facebook: https://www.facebook.com/Plattensamml…
Lust auf mehr alte Berliner Lieder? ALT-BERLIN-Playlist: http://www.youtube.com/playlist?list=…

Nachdem der große Berliner Künstler Heinrich Zille gestorben war, widmete ihm Willi Kollo dieses Chanson, welches überaus erfolgreich u.a. von Claire Waldoff für die Schallplatte aufgenommen wurde. Doch auch Paul Heidemann, ein berühmter deutscher Film- und Bühnenschauspieler nahm seine Interpretation des Schlagers im Januar 1930, begleitet von Theo Mackeben am Bechstein-Flügel in Berlin auf. Heinrich Zille war ein Künstler, der zu seinen Lebzeiten sehr umstritten war. Seine Karrikaturen, die das Berliner Leben abseits der gehobenen Gesellschaft zeigten, oft auch die pure Verelendung, wurden damals von vielen Kritikern als anstößig und vulgär wahrgenommen. Eine breite künstlerische Anerkennung blieb Zille Zeit seines Lebens versagt, auch wenn er durchaus sein Ziel erreichte, soziale Probleme anzuprangern, immer mit einer Note Berliner Humor.

Das Lied vom Vater Zille (Das war sein Milljöh)

Das Lied vom Vater Zille (Das war sein Milljöh)

12. August 2011

Claire Waldoff: Ich kann um zehne nicht nach Hause gehn – Berlin 1930

Veröffentlicht am 28.01.2014

Berührendes Berlin-Lied mit Bezug zu Heinrich Zille…
Musik Claus Clauberg, Text Erich Kersten.
Mit Klavierbegleitung.

CLARIE WALDORF–Es gibt nur ein BERLIN@Zille,Für Horst in Berlin

Lieder….und Zille mittenmang:

Lieder aus ... und Zille mittenmang

 

10 Januar 1858 Heinrich Zille geboren, auch Fotograf

Edith Hancke in Memoriam (14.10.1928 – 04.06.2015)

Veröffentlicht am 04.06.2015

Zum Tode von Edith Hancke ein letzter Gruss:

(Das Lied von Vater Zille 1913)
Aus’m Hinterhaus kieken Kinder raus,
blass und unjekämmt mit und ohne Hemd.
Unten uff’n Hof is ’n Riesenschwoof
Und ich denk mir so beim Geh’n:
Wo hast Du des schon geseh’n?

Das war sein Milljöh
Das war dein Milljöh.
Jede Kneipe und Destille
Kennt den juten Vater Zille.
Jedes Droschkenpferd
Hat von ihm jehört.
Von N.O. bis J.W.D. –
Das war sein Milljöh.

 

Mit dieser Erinnernung an Edith Hanke und Heinrich Zille will ich diesen Beitrag schließen. Wer noch mehr Offizielles lesen möchte, sei auf wikipedia.org verwiesen.

Ich danke Euch und wünsche noch einen schönen Sonntag

Eure Rositha

Einige Impressionen gibt es doch noch, weil sie sooo schön sind:

Deutsche Humoristen – Wilhelm Busch

Unter der neuen Rubrik Sonntagsschmankerl möchte ich einige besonders bekannte Humoristen und Kabarettisten herausstellen, damit wir sie nicht vergessen – und damit möchte ich gleichzeitig ein Stück deutscher Kultur bewahren.

Heute möchte ich an Wilhelm Busch erinnern: Einer der gaaaanz Großen. Wer kennt nicht Max und Moritz, Witwe Bolte,  Meister Böck, Die fromme Helene, Schneider Böck oder meck meck, Lehrer Lämpel, Fips der Affe  und so viele andere Geschichten, die als Kinder unser Herz erfreuten und die wir gerne unseren Kindern weiter gegeben haben. Diese Geschichten waren stets mit  mit erhobenem Zeigefinger aber auch Augenzwinkern erzahlt und zeigten den Menschen, hey so geht´s nicht, mein Junge, du mußt schon die Konsequenzen tragen von den bösen Streichen, die du anderen spielst.

Also erst mal höchst offiziell einiges über Wilhelm Busch, da nehme ich doch mal Wikipedia:

So sah er aus, der Meister der    in seinen besten Jahren, irgendwie hat ein spitzbübisches Grinsen in den Augen, oder?


Wilhelm Busch, Selbstporträt, 1894

Heinrich Christian Wilhelm Busch (* 15. April 1832 in Wiedensahl; † 9. Januar 1908 in Mechtshausen) war einer der einflussreichstenhumoristischen Dichter und Zeichner Deutschlands. Seine erste Bildergeschichte als Tafeln erschien 1859 und als ein Buch Bilderpossen 1864. Schon in den 1870er Jahren zählte er zu den bekannten Persönlichkeiten Deutschlands. Zu seinem Todeszeitpunkt galt er als ein „Klassiker des deutschen Humors“,[1] der mit seinen satirischen Bildergeschichten eine große Volkstümlichkeit erreichte. Er gilt heute als einer der Pioniere desComics. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Bildergeschichten Max und Moritz, Die fromme Helene, Plisch und Plum, Hans Huckebein, der Unglücksrabe und die Knopp-Trilogie. Viele seiner Zweizeiler wie „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr“ oder „Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich“ sind zu festen Redewendungen geworden. Seine Satiren verspotten häufig Eigenschaften einzelner Typen oder Gesellschaftsgruppen. So greift er in seinen Bildergeschichten die Selbstzufriedenheit und zweifelhafte Moralauffassung des Spießbürgers und die Frömmelei bürgerlicher und geistlicher Personen an.

Busch war ein ernster und verschlossener Mensch, der viele Jahre seines Lebens zurückgezogen in der Provinz lebte. Seinen Bildergeschichten, die er als „Schosen“ (französisch chose = Sache, Ding, quelque chose = etwas, irgendwas) bezeichnete, maß er wenig Wert bei. Sie waren am Beginn für ihn nur ein Broterwerb, mit dem er nach einem nicht beendeten Kunststudium und jahrelanger finanzieller Abhängigkeit von den Eltern seine drückende wirtschaftliche Situation aufbessern konnte. Sein Versuch, sich als ernsthafter Maler zu etablieren, scheiterte an seinen eigenen Maßstäben. Die meisten seiner Bilder hat Wilhelm Busch vernichtet, die erhaltenen wirken häufig wie Improvisationen oder flüchtige Farbnotizen und lassen sich nur schwer einer malerischen Richtung zuordnen. Seine von Heinrich Heine beeinflusste lyrische Dichtung und seine Prosatexte stießen beim Publikum, das mit dem Namen Wilhelm Busch Bildergeschichten verband, auf Unverständnis. Die Enttäuschung seiner künstlerischen Hoffnungen und das Ablegen überhöhter Erwartungen an das eigene Leben sind Motive, die sich sowohl in seinen Bildergeschichten als auch in seinem literarischen Werk wiederfinden.[2]

 

Die Streiche sind hier zu finden:

http://www.wilhelm-busch.de/max-und-moritz-eine-bubengeschichte.html#.VeLt5CXtmko

So, das war also einiges Offizielle, da kommt noch mehr. Aber etwas zur Auflockerung zwischendrin:

Die frechsten Lümmel, die man sich vorstellen kann, die schon so etwas wie Helden, oder gar Anti-Helden einer Nation geworden sind:

Tja, die Schlingel haben ihr, der Witwe Bolte,  einen bösen Streich gespielt.

So sah das dann auch:  Das Ende ist gar schrecklich, werden die beiden doch zermalmt und, verbacken als Brot, letztlich von den Hühnern gefressen:

 

Hier ist der Lehrer Lämpel, den mochten die beiden bösen Buben auch nicht, man sieht schon den erhobenen Zeigefinger, kein Wunder:

Die Zeichnungen von Wilhelm Busch, insbesondere die Geschichte von Max und Moritz, waren die Vorläufer der Comics und Zeichentrickfilme. Die beiden waren so berühmt, daß sie sogar als Briefmarke gedruckt wurden.

Weiteres aus dem Schaffen von Wilhelm Busch:

Wilhelm Busch, 1860

Das ist die fromme Helene, Näschen hoch und keck blickt sie in die Welt.

frankfurter-buergerstiftung.de

Hier ist ihre Geschichte nachzulesen:

http://www.wilhelm-busch-seiten.de/werke/helene/

Das erste Kapitel:

LENCHEN KOMMT AUFS LAND
Wie der Wind in Trauerweiden
Tönt des frommen Sängers Lied,
Wenn er auf die Lasterfreuden
In den großen Städten sieht.Ach, die sittenlose Presse!
Tut sie nicht in früher Stund
All die sündlichen Exzesse
Schon den Bürgersleuten kund?!Offenbach ist im Thalia,
Hier sind Bälle, da Konzerts.
Annchen, Hannchen und Maria
Hüpft vor Freuden schon das Herz.Kaum trank man die letzte Tasse,
Putzt man schon den ird’schen Leib.
Auf dem Walle, auf der Gasse
Wimmelt man zum Zeitvertreib.Wie sie schauen, wie sie grüßen!
Hier die zierlichen Mosjös,
Dort die Damen mit den süßen,
Himmlisch hohen Prachtpopös.Und der Jud mit krummer Ferse,
Krummer Nas‘ und krummer Hos‘
Schlängelt sich zur hohen Börse
Tiefverderbt und seelenlos.Schweigen will ich von Lokalen,
Wo der Böse nächtlich praßt,
Wo im Kreis der Liberalen
Man den Heil’gen Vater haßt.Schweigen will ich von Konzerten,
Wo der Kenner hoch entzückt
Mit dem seelenvoll-verklärten
Opernglase um sich blickt,Wo mit weichen Wogebusen
Man schön warm beisammen sitzt,
Wo der hehre Chor der Musen,
Wo Apollo selber schwitzt.Schweigen will ich vom Theater,
Wie von da, des Abends spät,
Schöne Mutter, alter Vater
Arm in Arm nach Hause geht.Zwar man zeuget viele Kinder,
Doch man denket nichts dabei.
Und die Kinder werden Sünder,
Wenn’s den Eltern einerlei.»Komm Helenchen!« sprach der brave
Vormund – »Komm, mein liebes Kind!
Komm aufs Land, wo sanfte Schafe
Und die frommen Lämmer sind.Da ist Onkel, da ist Tante,
Da ist Tugend und Verstand,
Da sind deine Anverwandte!«
So kam Lenchen auf das Land.

Und das letzte:

Siebzehntes Kapitel

TRIUMPH DES BÖSEN

Hu! Draußen welch ein schrecklich Grausen!
Blitz, Donner, Nacht und Sturmesbrausen! –
Schon wartet an des Hauses Schlote
Der Unterwelt geschwänzter Bote.
Zwar Lenens guter Genius
Bekämpft den Geist der Finsternus.
Doch dieser kehrt sich um und packt
Ihn mit der Gabel zwiegezackt.
O weh, o weh! Der Gute fällt!
Es siegt der Geist der Unterwelt.
Er faßt die arme Seele schnelle
Und fährt mit ihr zum Schlund der Hölle.
Hinein mit ihr! Huhu! Haha!
Der heli’ge Franz ist auch schon da.

Und hier der Schluß:

Als Onkel Nolte dies vernommen,
War ihm sein Herze sehr beklommen.
Doch als er nun genug geklagt:
»Oh!« – sprach er – »Ich hab’s gleich gesagt!
Das Gute – dieser Satz steht fest –
Ist stets das Böse, was man läßt!
Ei, ja! – Da bin ich wirklich froh!
Denn, Gott sei Dank! Ich bin nicht so!!«

 

Hans Huckebein der Unglücksrabe ist eine Bildergeschichte von Wilhelm Busch. Erstmals veröffentlicht wurde sie in den Blättern: Über Land und Meer, Stuttgart, Eduard Hallberger, X. Jahrgang (Oktober 1867–September 1868), 1/13, 3/45, 5/77, 8/125.

Hans Huckebein

Inhalt

Einzelszene

Die Bildergeschichte erzählt in Reimform (Paarreim) von dem unglückseligen bösen Raben, genannt Hans Huckebein.

Der Knabe Fritz findet im Wald einen jungen Raben und will ihn unbedingt mit nach Hause nehmen. Mit List und Tücke fängt er das verängstigte Tier ein und bringt es nach Hause zu seiner Tante. Die wird sofort enttäuscht – der Rabe entpuppt sich nicht als ein niedliches Tierchen, sondern beißt sie erstmal heftig. Anschließend bringt er den Haushalt der Tante durcheinander: Er klaut dem Spitz einen Schinkenknochen, woraufhin unter den Tieren ein heftiger Streit entsteht, in den auch der Kater verwickelt wird. Da der Rabe gewitzt ist, trickst er die beiden aus und siegt. Nun ist er nicht mehr zu bremsen.
Er macht sich über das frisch gekochte Heidelbeerkompott her und als die entsetzte Tante ihn einzufangen versucht, tappt er über deren saubere Bügelwäsche. Nun macht die Tante Jagd auf ihn, und bei seiner Flucht geht einiges zu Bruch: die Teller im Bord, ein Korb Eier, der Krug mit Bier, und letztendlich fliegt noch ein Eimer Wasser, den die Tante abbekommt. Als sie versucht, den Raben mit einer Gabel zur Strecke zu bringen, landet jene in Fritzens Ohr. Huckebein versteckt sich, und als er doch entdeckt wird, beißt er die Tante in die Nase.
Vorwitzig wie er ist, macht er sich nun über den Likör her und leert das Glas ganz genüsslich. Betrunken torkelt er herum, wirft die Likörflasche vom Tisch und verheddert sich im Strickzeug der Tante. Er endet kläglich, indem er sich mit dem Garn selbst stranguliert.

Die Verse scheinen mit einer Moral („Die Bosheit war sein Hauptpläsier. Drum – spricht die Tante – hängt er hier!“) zu enden: Nachdem der böse Rabe den ganzen Haushalt der Tante durcheinandergebracht hat, endet er schließlich kläglich durch eigene Schuld. Hier zeigt sich Wilhelm Buschs Hang zu düsteren Geschichten mit schwarzem Humor, der sich erkennbar durch sein gesamtes Werk zieht.

Mag sein, dass mancher Mitleid mit dem Raben hatte. Für Wilhelm Busch war er, wie so oft in seinen Bildergeschichten, nur eine weitere von vielen Inkarnationen des Bösen, das nach seiner Auffassung in jedem Menschen und Tier steckte – und Huckebein wird auch mehrfach und ausdrücklich so bezeichnet:

„Der größte Lump bleibt obenauf“

„[…] – der Böse taumelt“

„Die Bosheit war sein Hauptpläsier […]“

Auch als Maler versuchte sich Wilhelm Busch. Hier der Trinker von 1889

Eingeschlafener Trinker von Wilhelm Busch 1869, heute Städelsches Kunstinstitut

Und die Regenlandschaft

https://de.wikipedia.org/

Sprache

Wilhelm Buschs Zeichnungen werden durch die treffsicheren Verse in ihrer Wirkung erhöht. Kennzeichnend für die Bildergeschichte sind humorvolle Überraschungen und sprachliche Kühnheiten, z. B. Reime, die in unerwarteter Weise die Silbentrennung ausnützen, wie das bekannte[124]Jeder weiß was solch ein Mai-/käfer für ein Vogel sei.” Dazu kommen ironische Verdrehungen, Verspottungen romantischer Stilelemente, Überspitzungen und Doppeldeutigkeiten.[125] Entsprechend berufen sich eine Reihe humoristischer Dichter auf Wilhelm Busch als geistigen Vorfahren oder doch wenigstens Verwandten. Das gilt für Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern.[126] Der Kontrast zwischen der komischen Zeichnung und dem scheinbar ernsthaften Begleittext, der für Buschs spätere Bildergeschichten so typisch ist, findet sich schon bei Max und Moritz. So steht die rührselige Erhabenheit derWitwe Bolte in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Anlass, dem Verlust ihrer Hühner:[127]

Einzelszene aus Max und Moritz

Fließet aus dem Aug ihr Tränen!
All mein Hoffen, all mein Sehnen,
Meines Lebens schönster Traum
Hängt an diesem Apfelbaum

Viele der in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangenen Zweizeiler haben die Anmutung eines gewichtigen Weisheitsspruches, entpuppen sich aber bei näherer Betrachtung als Scheinwahrheit, Scheinmoral oder auch nur als Binsenweisheit. Kennzeichnend für sein Werk sind außerdem zahllose Lautmalereien. „Schnupdiwup“ entführen Max und Moritz die gebratenen Hühner mit der Angel durch den Kamin, „Ritzeratze“ sägen sie in die „Brücke eine Lücke“, „Rickeracke! Rickeracke! Geht die Mühle mit Geknacke“, und „Klingelings“ reißt Kater Munzel in der Frommen Helene den Kronleuchter von der Decke. Ähnlich einfallsreich ist Wilhelm Busch bei der Vergabe der Eigennamen, die seine Figuren häufig treffend charakterisieren. „Studiosus Döppe“ würde den Leser als geistige Größe überraschen; Figuren wie die „Sauerbrots“ lassen keine Frohnaturen erwarten und „Förster Knarrtje“ keinen eleganten Salonlöwen.[128]

Der größere Teil der Bildergeschichten ist in vierhebigen Trochäen gedichtet:[129]

Max und Moritz, diese beiden
Mochten ihn darum nicht leiden.

Eine Übergewichtung der betonten Silben verstärkt dabei die Komik der Verse. Daneben finden sich Daktylen, bei denen auf eine betonte Silbe zwei unbetonte folgen. Sie finden sich beispielsweise in Plisch und Plum und unterstreichen die dozierende, feierliche Ansprache, die Lehrer Bokelmann seinen Schülern hält oder bauen im Sauerbrot-Kapitel von Abenteuer eines Junggesellen durch den Wechsel von Trochäen und Daktylen Spannung auf.[130] Dass Busch häufig Form und Inhalt seiner Dichtung aufeinander abstimmt, zeigt sich auch in Fipps, der Affe, wo für ein Gespräch über die Weisheit der Schöpfung, die in der Würde des Menschen ihren Höhepunkt findet, der epische Hexameter gewählt ist.[131]

Sowohl in seinen Bildergeschichten als auch in seinen Gedichten nutzte Wilhelm Busch gelegentlich dem Leser vertraute Fabeln, die er teils ihrer Moral beraubt, um sich der aus dem Fabelgeschehen entwickelnden komischen Situationen und Konstellationen zu bedienen, teils macht er sie zum Medium einer ganz anderen Wahrheit.[132] Auch hier kommt Buschs pessimistische Welt- und Menschensicht zum Tragen. Während traditionelle Fabeln den Wert einer praktischen Philosophie vermitteln, die zwischen Gut und Böse unterscheidet, geht in Buschs Weltsicht gutes und böses Handeln nahtlos ineinander über.[133] de.wikipedia.org

Vieles andere hat der unvergessene Wilhelm Busch noch geschrieben und uns hinterlassen. Hier noch einige Sprüche von ihm:

19 Zitate und Sprüche von Wilhelm Busch
Wilhelm Busch
Der Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung.
Wilhelm Busch
Dummheit ist auch eine natürliche Begabung.
Wilhelm Busch
Dumme Gedanken hat jeder, aber der Weise verschweigt sie.
Wilhelm Busch
Ausdauer wird früher oder später belohnt – meistens aber später.
Wilhelm Busch
Klatschen heißt anderer Leute Sünden beichten.

http://zitate.net/

Weiteres Infomaterial hier:

http://gedichte.xbib.de/gedicht_Busch.htm

Und hier der deutsche Film von 1956, amüsiert Euch bitte wie Bolle:

Märchen Max und Moritz 1956

MAX UND MORITZ uralte Schellackplatte von August Böckmann und Max Walden auf Favorite Records

Diese Aufnahme scheint sehr alt zu sein, wahrscheinlich noch vor 1925. Akustisch aufgenommen (also ohne Hilfe von Mikrofonen und Verstärkern!) und witzig anzuhören. Wenn jemand genaueres weiß über das Alter der Platte, dann möge er (oder sie) bitte einen Kommentar hinterlassen. Wilhelm Busch schrieb Max und Moritz bereits 1865, schon 1887 erschien das Werk in 10 Sprachen und bis heute sind es 300 Sprachen ! Dieses Lied scheint bezug zu nehmen auf die beiden bösen Lausbuben, aber hört selbst!

In diesem Sinne noch einen schönen Sonntag

Eure Rositha