Andy Piascik
Vor zwei Monaten gedachten hunderttausende Chilenen in tiefer Trauer des 40. Jahrestages ihres 11. September – des 11. September 1973. An diesem Tag stürzten die chilenischen Streitkräfte, aufgerüstet mit freigiebigen Waffenlieferungen und großzügiger Unterstützung der USA sowie mit tatkräftiger Hilfe der CIA und anderer Dienste, die demokratisch gewählte Regierung des gemäßigten Sozialisten Salvador Allende. Es folgten 16 Jahre der Unterdrückung, Folter und unzähliger Toter unter der Herrschaft des Faschisten Augusto Pinochet – während weiterhin gigantische Profite in die Taschen amerikanischer Konzerne wie IT&T, Anaconda Copper und anderer flossen.

Befürchtungen von Gewinneinbußen und die Sorge, auch in anderen Ländern könnten Unabhängigkeitsbestrebungen Zulauf bekommen, waren die tieferen Gründe für diesen Putsch. Und selbst nur kleine Schritte Allendes in Richtung einer Verstaatlichung waren für die Wirtschaftsinteressen der USA nicht hinnehmbar.
Henry Kissinger war damals Nationaler Sicherheitsberater der USA und gehört zu den wichtigsten − vielleicht war er sogar der wichtigste – Drahtziehern des Militärputsches in Chile. Bereits 1973 waren von den USA herbeigeführte Putsche keine Seltenheit, insbesondere nicht in Lateinamerika. Kissinger und sein Chef, US-Präsident Richard Nixon, führten eine gewaltsame Tradition fort, die das gesamte 20. Jahrhundert lang wirksam war und an der auch im 21. Jahrhundert festgehalten wird, wie man an den Entwicklungen in Venezuela (gescheitert) und Honduras 2009 sehen kann.
Wenn erfolgversprechend, bildeten Putsche wie etwa 1954 in Guatemala und 1964 in Brasilien die bevorzugte Methode für das Vorgehen gegen lokale Widerstandsgruppen. In anderen Fällen griffen die amerikanischen Streitkräfte als letztes Mittel auch zur direkten Invasion, wie sich an zahlreichen Beispielen in Nicaragua, der Dominikanischen Republik und vielen anderen Ländern zeigen lässt.
Der Putsch in Santiago erfolgte, als der amerikanische Krieg in Indochina nach mehr als zehn Jahren langsam abzuflauen begann. Von 1969 bis 1973 war es wiederum Kissinger zusammen mit Nixon, der die Verantwortung für die blutigen Massaker in Vietnam, Kambodscha und Laos trug.
Man kann praktisch kaum genau beziffern, wie viele Menschen in diesen vier Jahren sterben mussten. Alle Toten wurden summarisch als Feinde bezeichnet, obwohl es sich bei der übergroßen Mehrheit der Opfer um Nichtkombattanten handelte, und die USA zeigten noch nie großes Interesse daran, die Zahl der getöteten Feinde zu erfassen.
Nach Schätzungen wurden in Indochina vier Millionen Menschen – wahrscheinlich sind sehr viel mehr – seit Beginn der Kampfhandlungen von den USA getötet. Man kann daher begründet davon ausgehen, dass in der Zeit, in der Kissinger und Nixon ihre jeweiligen Ämter innehatten, vermutlich mehr als eine Million, mit Sicherheit aber hunderttausende Menschen getötet wurden.
Auch in den darauffolgenden Jahren starben zigtausende weitere Menschen in Indochina an den Folgen des massiven Einsatzes des Entlaubungsmittels Agent Orange und anderer Chemiewaffen mit Massenvernichtungscharakter, die von den USA eingesetzt worden waren. Auch viele Soldaten, die diesen giftigen Chemikalien ausgesetzt waren, hatten unter den Folgen zu leiden. Viele starben auch daran.
Multipliziert man diese Zahlen mit 1000, 10 000 oder 15 000 − auch in diesem Fall können die Opferzahlen nicht genau beziffert werden – dämmert einem allmählich, wie die Folgen für diejenigen Menschen aussehen, die in und auf dem Land leben, das von den USA so nachhaltig vergiftet wurde.
Untersuchungen verschiedener Organisationen und Einrichtungen wie der Vereinten Nationen zufolge, sind nach dem Krieg im ländlichen Raum mindestens 25 000 Menschen durch Blindgänger-Bomben der USA ums Leben gekommen; eine entsprechende hohe Zahl an Personen erlitt schwere Verletzungen.
Bis zum heutigen Tag sterben ähnlich wie im Falle von Agent Orange Menschen an den derartigen Explosionen oder müssen mit massiven gesundheitlichen Einschränkungen leben. Seit 40 Jahren geht der Krieg für diese Menschen in Indochina praktisch ohne Unterbrechung weiter, und dies wird vermutlich noch einige Jahrzehnte so weitergehen.
Kurz vor Ende von Kissingers Amtszeit als US-Außenminister unter dem Nachfolger Nixons, Gerald Ford, stimmten beide 1975 der Invasion Ost-Timors durch den indonesischen Diktator Suharto zu. Dieser illegale Akt der Aggression wurde wiederum mit Waffen durchgeführt, die von den USA produziert und geliefert worden waren. Suharto war seit Langem der Laufbursche amerikanischer Wirtschaftsinteressen und hatte sich selbst 1965 mit amerikanischer Unterstützung und Waffenhilfe an die Macht geputscht.
Im Rahmen seiner jahrelangen Terrorherrschaft töteten die Sicherheitskräfte und die Armee mehr als eine Million Menschen (Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die sich sonst wenig zu Verbrechen des amerikanischen Imperialismus äußert, geht sogar von 1,5 Millionen Toten aus.)
Aber Kissinger und Ford lieferten nicht nur vor Ort wesentliche Unterstützung. Darüber hinaus blockierten sie Bemühungen der Weltgemeinschaft, das Blutvergießen zu beenden, als das schreckliche Ausmaß der Grausamkeit des indonesischen Militärs sichtbar wurde, und womit der damalige amerikanische US-Botschafter Daniel Patrick Moynihan offen geprahlt hatte. Auch hier zeigt sich wieder eines der Leitprinzipien eines Empire − eines, das Kissinger und Seinesgleichen so selbstverständlich befolgen wie das Atmen: Unabhängigkeit wird nicht toleriert.
Dies gilt selbst für so kleine Länder wie Ost-Timor, in denen Investitionsmöglichkeiten eher gering, das Streben nach Unabhängigkeit aber ansteckend wirken und sich in Regionen wie etwa dem rohstoffreichen Indonesien ausbreiten könnte, in denen für die USA sehr viel mehr auf dem Spiel steht.
Als die indonesische Besetzung 1999 endlich endete, waren 200 000 Ost-Timoresen, etwa 30 Prozent der Bevölkerung, ausgelöscht worden. So sieht die Hinterlassenschaft Kissingers aus, und dies wird ungeachtet der Leugnung, der Unwissenheit und der Verschleierungstaktik der amerikanischen Intelligenz von den Bewohnern dieser Großregion des Südens auch so verstanden.
Sollten die USA jemals eine wirklich demokratische Gesellschaft werden, und sollten wir uns jemals der internationalen Gemeinschaft als verantwortungsbewusstes Mitglied anschließen, das bereit ist, sich für Frieden, statt für Krieg einzusetzen und anstatt Vorherrschaft anzustreben, Zusammenarbeit sowie gegenseitige Hilfe zu fördern, werden wir uns für die Verbrechen zu verantworten haben, die von Leuten wie Kissinger angeblich in unserem Namen verübt wurden.
Unsere Empörung über die Verbrechen krimineller Mörder wie Pol Pot, die zu offiziellen Feinden erklärt wurden, reicht da nicht aus. Nach der Ermordung Präsident Kennedys hat eine verschwörerische Gruppe führender amerikanischer Politiker weit mehr Menschen in Indochina auf dem Gewissen als die Roten Khmer, und die dafür Verantwortlichen müssen vor Gericht gestellt und entsprechend verurteilt werden.
Die Dringlichkeit dieser Forderungen wird durch die sich immer schneller ausbreitende aggressive amerikanische Politik noch unterstrichen. Millionen Menschen auf der Welt, insbesondere im wiedererstarkenden Lateinamerika, sind fest entschlossen dabei, die Gültigkeit des Dogmas »Macht geht vor Recht«, nach dem die USA seit ihrer Gründung lebten, zu beenden. Die 99 Prozent der Menschen in den USA, die kein Interesse an einer imperialen Politik haben, wären gut beraten, sich ihnen bei diesem Kampf anzuschließen.
Gegenwärtig gibt es durchaus ermutigende Anzeichen. Erwähnung verdient dabei vor allem, dass es erfolgreich gelang, einen amerikanischen Angriff auf Syrien zu verhindern. Zudem mussten einige einzelne Vertreter auf unterschiedlicher Ebene des Empire in unterschiedlichem Maße einige Turbulenzen in ihrer Karriere verkraften. Der frühere ISAF-Kommandeur und kurzzeitige CIA-Chef General David Petraeus fühlte sich beispielsweise von Demonstranten verfolgt, als er Anfang des Jahres von der Universität New York eingeladen wurde, Lehrveranstaltungen abzuhalten. Und der frühere Vizepräsident Dick Cheney sagte 2010 eine Reise nach Kanada ab, als dort der Ruf nach seiner Verhaftung immer lauter wurde, obwohl seine Amtszeit schon länger zurücklag.
Pinochet wurde schließlich in England verhaftet, nachdem ein spanischer Richter gegen ihn Anklage wegen Menschenrechtsverletzungen erhoben und an England ein Auslieferungsersuchen gestellt hatte. England behielt ihn 18 Monate lang in Haft, bevor er aus gesundheitlichen Gründen für nicht verhandlungsfähig erklärt wurde. Und in diesem Jahr wurde Efrain Rios Mott, einer der schlimmsten früheren Schergen Washingtons in Guatemala, wegen Völkermord verurteilt, obwohl einige seiner Mittäter, die noch in Amt und Würden waren, immer versucht hatten, das Verfahren gegen ihn zu behindern.
Aber der Druck muss offenbar noch deutlich erhöht werden. Und gegen Verbündete der USA, die Kriegsverbrechen begangen haben, wie etwa der gegenwärtige Präsident von Ruanda, Paul Kagame, muss ebenso wie gegen Pinochet Anklage erhoben werden.
Für die amerikanische Bevölkerung hätte es vielleicht noch größere Bedeutung, wenn Donald Rumsfeld, Hillary und Bill Clinton, Condoleezza Rice, Madeleine Albright und Colin Powell, um nur einige wenige zu nennen, wie Petraeus bei jedem öffentlichen Auftritt offensiv auf ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit angesprochen würden. Das gilt insbesondere auch für die beiden präsidialen Kriegsverbrecher Barak Obama und George W. Bush.
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