Markus Gärtner
China greift Russland in der Krise unter die Arme. Es stockt Venezuelas Reserven mit einem Vier-Milliarden-Dollar-Kredit auf. Und es stellt Argentinien im Rahmen einer Swap-Vereinbarung, bei der Devisen der beiden Länder gegenseitig ausgeliehen werden können, eine Milliarde Yuan zur Verfügung. Den Südkoreanern hilft Peking, dreiste Hacker zu fangen. Und Nachbarn in Südostasien leihen die Chinesen drei Milliarden Dollar für die Infrastruktur. Afrika haben sie seit 2000 insgesamt 75 Milliarden Dollar Kredite gegeben.
Die Volksrepublik beginnt ganz bewusst, den reformmüden IWF als Not-Kreditgeber herauszufordern und sich mit ihren 3,9 Billionen Dollar Devisenreserven auf Kosten des stagnierenden und hoch verschuldeten Westens noch mehr globalen Einfluss zu »kaufen«.
China ist bereits größte Handelsnation und zweitgrößte Volkswirtschaft auf dem Planeten. Seine Warenströme sind dank billiger Arbeitskräfte und einer aufgeblähten Exportwirtschaft – mit vielen Überkapazitäten – so groß geworden, dass China für über 120 Länder der größte Handelspartner ist. Das sind doppelt so viele Länder wie die, deren größter Handelspartner die USA sind.
Alleine die Meldung des FernsehsendersPhoenix TV am Wochenende in Hong Kong, Chinas Wirtschaftsminister Gao Hucheng sehe in einer Ausdehnung des seit Oktober bestehenden Devisen-Tausch-Abkommens mit Moskau eine Hilfe für Russland, trug spürbar zur Stützung des kollabierten Rubels bei.
Die schwer angeschlagene russische Währung hat unter dem Druck implodierender Ölpreise und westlicher Sanktionen in diesem Jahr über die Hälfte ihres Wertes gegenüber dem Dollar verloren. Sie konnte jedoch in der vergangenen Woche dank massiver Notenbankintervention wieder zehn Prozent zulegen.
Im Falle Russlands geht Chinas Hilfe weit über einen simplen Kredit oder einen Devisentausch hinaus. Erstmals wird versucht, einem großen Land – in diesem Falle Russland – von außen ohne Einsatz des Dollars in einer Währungs- und Wirtschaftskrise zu helfen.
Chinas Interesse dabei ist klar: Es will den rasch aufsteigenden BRICS-Block mit Russland, Indien und Brasilien zu einer Zeit festigen und expandieren, in der die USA international an Einfluss verlieren. Zweitens helfen solche Stützungsaktionen im Rahmen von Swap-Abkommen – wie Chinas eines mit Russland geschlossen hat –, dem Dollar zusätzlich das Wasser abzugraben.
Und drittens sichert sich China zusätzliche Marktanteile und guten Willen in einer Weltwirtschaft, die zunehmend von Handelsstreitigkeiten, Währungsturbulenzen und Ölpreisschwankungen geprägt ist.
Russland ist nach den jüngsten Sanktionen weitgehend von westlichen Kapitalmärkten abgeschnitten. Hilfe aus China erleichtert den zügigen Aufbau einer neuen Kapital-Infrastruktur, die den Greenback schwächt und ein Banken-Orbit um das westliche SWIFT-Netzwerk herum aufbaut.
Seit dem Oktober hat die Volksrepublik Argentinien 2,3 Milliarden Dollar Kapital zur Verfügung gestellt. Im November half China dem unter kollabierenden Ölpreisen schwer leidenden Venezuela mit einem Vier-Milliarden-Dollar-Kredit.
Dank China konnte Argentinien seine Devisenreserven auf den höchsten Stand in 13 Monaten auffüllen. Und Venezuela bekommt mehr als nur Geld von China. Es verbessert seine Position an den Kapitalmärkten, die – gemessen an den Prämien für Ausfallversicherungen auf Anleihen – die Wahrscheinlichkeit eines Staatsbankrotts in den kommenden fünf Jahren auf 89 Prozent beziffert hatten.
Venezuela rückt damit auf der Weltkarte der Ölindustrie deutlich näher an China. Das südamerikanische Land hat mit die größten vermuteten Reserven und tilgt seine Schulden gegenüber der aufsteigenden asiatischen Großmacht mit Lieferungen in dem »schwarzen Gold«.
China hat dank seiner immensen Devisenreserven genügend Geduld für diese Art von Tilgung und darf darauf hoffen, dass sein Einfluss im aufstrebenden Südamerika weiter anwächst.
Um direkten Einfluss auf Handel und Rohstoffe sowie eine wachsende diplomatische und politische Sphäre geht es auch bei den drei Milliarden Dollar umfassenden Krediten für Kambodscha, Vietnam, Myanmar, Thailand und Laos, Nachbarn in Südostasien, mit denen sich China um rohstoffreiche Inseln im Südchinesischen Meer streitet.
Der jüngste Kredit wurde von China während eines regionalen Gipfels mit den Nachbarstaaten der Region Mekong in Bangkok in Aussicht gestellt.
Auch hier geht es um Rohstofflieferungen an China als Gegenleistung für das ausgeliehene Geld. Den Bau einer 867 Kilometer langen Schnellzugverbindung, die weiter bis nach Singapur gehen wird, bezahlt Thailand unter anderem mit der Lieferung von Reis.
Die Kredite aus Peking helfen daher, auch Handelsströme auszubauen, langfristig Rohstofflieferungen zu sichern und den politischen Fußabdruck in der ganzen Region Asien weiter zu vergrößern, während die USA damit beschäftigt sind, mit Russland einen neuen Kalten Krieg anzuzetteln, um wenigstens die Europäer als Partner bei der Stange zu halten.
Dass dies nachhaltig gelingt, wird zunehmend bezweifelt. Nicht nur, weil China und die BRICS immer attraktiver als Märkte und wichtiger als Partner werden, sondern auch, weil Europa für seine Entwicklung mit Russland friedliche Beziehungen braucht.