PEGIDA hatte Geburtstag. Im Rundfunk brach man aus gegebenem Anlass auf zu neuen Ufern der Hetz-und-Hass-Propaganda: „Menschenverächter“ seien alle, die bei PEGIDA mitgingen. Und gesprochen hatte dort natürlich „Der Führer (Kunstpause) … von PEGIDA.“ So Hans-Joachim Wiese auf Deutschlandradio (Un)Kultur. Schwamm drüber. Wir haben wichtigeres zu besprechen.
Es war die Geburtstagsveranstaltung, die mich endgültig an PEGIDA zweifeln ließ. Als auf den dritten unterirdischen Redner der vierte folgte, wurde ich von meinem Bauchgefühl, dass hier 30.000 Leute verarscht wurden, übermannt. Mein Kopf begann fieberhaft zu arbeiten. Alte, längst verdrängte Gedanken waren plötzlich wieder präsent. Gerhard Wisnewski hatte schonim Dezember 2014 angedeutet, dass er PEGIDA für eine inszenierte Bewegung hält. Ich hatte den Einwurf damals zur Kenntnis genommen und im Hinterkopf behalten, wollte aber zunächst abwarten, wie sich die Bewegung entwickelt, ob sie politisch etwas ins Rollen bringt, oder nicht.
Ende Januar 2015 hatten sich auch bei mir sehr viele Ungereimtheiten im Zusammenhang mit PEGIDA zu einem starken Zweifel verdichtet. Ich schrieb einen Artikel für Buergerstimme, den ich aber – bereits abgeschickt – dann doch nicht zu veröffentlichen bat. Ich traute meiner eigenen Logik nicht. Der Kopf sagte, mit PEGIDA stimme etwas nicht, das Herz sagte, aber es wäre gut, wenn alles stimmte, und der Bauch sagte, warte doch erst mal ab. Ich wollte der Bewegung nicht journalistisch in den Rücken fallen, falls sie wider allen Zweifels doch echt sein sollte. Es gab genug, die gegen PEGIDA schrieben. Ich wollte nicht der einzigen ernstzunehmenden bürgerlichen Protestbewegung Deutschlands schaden. Deshalb schrieb ich, bis auf einen Besuch in München, vorerst nicht mehr über PEGIDA. Der Zweifel legte sich. Bis Montag.
Eine solche Veranstaltung wie diese Geburtstagsfeier hatten die Menschen nicht verdient. Schlechte Reden, ein lustlos und billig wirkendes Filmchen, eine Hymne, die keine richtige war, weil niemand dazu sang… Konnte man zum Jahrestag nicht irgendwo einen halbwegs guten Sänger auftreiben? Konnte man nicht irgendeinem anonymen, PEGIDA wohlgesonnenen Profi ein lila Scheinchen in die Hand drücken und sagen, hier, sing bitte mal für die 30.000 ordentlich pathetisch unsere extra komponierte Hymne? Wieso musste Bachmann, anstatt komponiert „kombiniert“ sagen, wieso musste er anstatt „hört es Euch an“ sagen, „zieht’s Euch rein“? Jener Bachmann, der in seiner Rede am selben Abend den „Erhalt der deutschen Kultur“ beschwor? Und vor allem und immer wieder: Wieso hat diese Bewegung in einem Jahr noch keinen politisch glaubwürdigen und überzeugenden Führungscharakter hervorgebracht?
Nein, dieser Dilettantismus, dieses seit einem Jahr andauernde ganz-knapp-am-Ziel-Vorbeischießen konnte nicht echt sein. Am Montag, zum ersten Geburtstag wurde ich Zeuge, wie jemand hinter der PEGIDA-Maske lachte. Er lachte über das Volk. Er lachte über mich. Und ich hörte ihn lachen. Inmitten all des Widerstands- und Merkel-muss-weg-Geschreis hörte ich ihn leise lachen. Er lachte das Volk aus, weil sie derartig emotionslos gehaltenen Reden lauschten und ihnen dabei sterbenslangweilig wurde. Er lachte über das Volk, weil es sich in der Kälte fahnenschwenkend die Beine in den Bauch stand und sich nichts, aber auch gar nichts deswegen ändern wird. Er lachte mich aus, weil ich meinen Zweifel so lange verdrängt hatte. Als ich das verstanden hatte, sah ich plötzlich auch die anderen Dinge, die ich nicht hatte wahrhaben wollen. Hier deshalb eine Chronologie des über ein Jahr wachsenden Zweifels.
Oktober 2014
HoGeSa demonstriert gegen Salafisten, ein Polizeibus wird umgestürzt. Zwei Wochen lang hat die Presse ihr Thema. Ein Jahr später kommt heraus, dass der Gründer von HoGeSa ein V-Mann gewesen ist.
Oktober / November 2014
PEGIDA trennte wochenlang zwischen Islam und Islamismus. Islam war ansich okay, Islamismus hingegen schlecht. Dabei hätte Bachmann die Äußerung Erdogans, dass es zwischen beidem keine Trennung gibt, bekannt sein müssen. Denn diese Bemerkung wurde im Internet ausgiebig diskutiert.
Anfang Dezember 2014
Es tauchten Informationen über Bachmanns Vorleben auf. Ein Krimineller soll er gewesen sein. Mit Drogen soll er gedealt haben. Und vor der Inhaftierung ins Ausland geflohen sein. Im Gefängnis soll er gesessen haben und vorbestraft sein. Als Bachmann das auf der folgenden PEGIDA selbst thematisierte und mit seinem eigenen Rücktritt kokettierte, war man wieder geneigt, beide Augen zuzudrücken. Hatten wir nicht alle schon mal etwas „ausgefressen“? Und war nicht der Umstand, dass die Medien wie gedruckt logen, der beste Beweis dafür, dass PEGIDA recht hatte? Außerdem sagte Bachmann verschmitzt „Betäubungsmittel“, und man nahm an, er meinte Marihuana. Es war aber Kokain. Das sagte er aber nicht.
Ende Dezember 2015
Wochenlang ignorierte PEGIDA den zigfach im Netz geäußerten Wunsch, doch bitte zum Abschluss die Nationalhymne zu singen. Zur Weihnachtsveranstaltung wurde dann tatsächlich gesungen. Doch anstatt der Hymne nur Weihnachtslieder. Die Enttäuschung darüber war groß und wurde erst gelindert, als LEGIDA zum ersten Mal in die Spur ging.
15. Januar 2015
Gleich zum Auftakt sang man in Leipzig die Hymne und kündigte an, dass diese nun zu einem festen Bestandteil aller folgenden LEGIDAS werden solle. LEGIDA war von Beginn an die scharfkantigere Variante, die professioneller arbeitende, die von Anfang an eine funktionierende Homepage unterhielt, die die bessere Bühnentechnik auffuhr, die die politisch konkreteren Forderungen hatte. Und LEGIDA wurde wesentlich heftiger angefeindet. Leider nicht nur von den radikalen Linken, die nach der Veranstaltung randalierend durch Leipzig zogen, sondern auch von Bachmann und PEGIDA selbst. Denn im Gegensatz zu PEGIDA war LEGIDA nationalstaatlich orientiert.
18. Januar 2015
Mitte Januar dann die mehrfache Zäsur: Erst wurde PEGIDA in Dresden das Demonstrieren verboten – angeblich, weil es eine Morddrohung des IS gegen Lutz Bachmann gegeben haben sollte. Gleichzeitig ging Kathrin Oertel ins Fernsehen und sprach mit der „Lügenpresse“. Von der sie, entgegen all derer Möglichkeiten, nicht gehäutet, gevierteilt, gegrillt und gefressen, sondern überraschenderweise völlig zahm, ja beinahe liebevoll behandelt wurde. Ungläubiges Staunen, in wieweit PEGIDA wirklich ein Feind jener ist, die sich stets feindselig gebärdeten, stieg in mir auf.
Die Morddrohung gegen Lutz Bachmann ließ mich ein weiteres Mal zweifeln. Denn sie konntenur ein Fake gewesen sein. Dass Bachmann dem Demoverbot sofort und ohne das geringste Widerwörtchen nachgegeben hatte, ohne auch nur einen einzigen Hinweis darauf, dass hier ein Grundrecht gebrochen wurde, dass die Polizei damit ihr Scheitern eingestanden und damit der Staat versagt hatte, da er offenbar effektiven Schutz nicht zu gewährleisten im Stande oder willens gewesen ist usw. – das verwunderte mich damals sehr. Und Oertel? Oertel war rhetorisch eigentlich dem Untergang geweiht gewesen. Doch entgegen aller Talkshow-Gepflogenheiten bewarf man sie nur mit verbalen Wattebällchen. Plötzlich hatte PEGIDA die seltsamsten Verteidiger: Demonstrationsfreiheit für PEGIDA forderte sogar, wer PEGIDA eigentlich „widerlich“ fand (Özdemir). Grenzen verschwammen zusehends.
20. Januar 2015
Wie aus dem Nichts tauchte ein kleiner Facebook-Hitler auf, der sich bei genauerer Betrachtung als Lutz Bachmann herausstellte. In einem Eintrag soll Bachmann zudem Ausländer als „Viehzeug“ und „Gelumpe“ bezeichnet haben. Ausgerechnet er – Lutz Bachmann – als er? Als Hitler? So ein Zufall aber auch. Die Entwicklung um PEGIDA nahm groteske Züge an.
21. Januar 2015
Nachdem die Nationalhymne zur LEGIDA-Auftaktveranstaltung krumm und schief geklungen hatte, hatte ich angeboten, beim nächsten Mal die Hymne so zu singen, dass es auch nach Hymne klänge. Dankend nahm man bei LEGIDA mein Angebot an. Wegen der untersagten Dresdener Demo hatten viele Dresdener angekündigt, dafür am Mittwoch nach Leipzig zu kommen, um LEGIDA zu unterstützen. LEGIDA war deshalb unter der Woche überraschend für 60.000 Leute angemeldet und mir, als ich davon erfahren hatte, leicht anders geworden. Jener 21. Januar – der Tag, an dem ich die Hymne singen sollte – wurde für mich einer der denkwürdigsten Abende. Nicht nur, weil es im Vergleich mit Dresden in Leipzig die besseren Redebeiträge gab.
Schon vor der Demo machten Informationen die Runde, Linke hätten Bahnanlagen sabotiert und die Züge aus Dresden würden deshalb entweder ausfallen oder Verspätung haben. Die Gegendemo war extrem hart, man kam fast nicht in die Innenstadt, alle Zugänge waren entweder von frenetisch trillernden Antifas oder der Polizei versperrt. Der Weg zur Demo wurde zum Spießrutenlauf. Einige Rentner sollen geschlagen oder angespien worden sein. Kurz vor dem Augustusplatz konnte man sich nur noch unter grobem Muskeleinsatz durch die kaum zu bändigenden Gegendemonstranten zwängen.
Mit Verspätung kamen dann doch noch einige Dresdener durch, so dass es LEGIDA an jenem Tag auf rund 15.000 Teilnehmer brachte – bis heute die größte Zahl bei LEGIDA. Von jenen traten wegen der heftigen Gewalt von Links allerdings viele vorzeitig den Heimweg an. Während des Demo-Umzuges kam es zu vereinzelten Verfolgungsjagden zwischen sich provozierend nähernden Linken und LEGIDA-Teilnehmern. Ein Fotograf mit Pferdeschwanz kam zu nahe an den Demo-Zug, wurde verjagt, floh, blieb mit dem Fuß in der Straßenbahnschiene hängen, stolperte, stürzte, rappelte sich wieder auf und floh weiter. Ich sah es mit eigenen Augen. Am nächsten Tag stand etwas von einem brutalen Übergriff, von „zusammengeschlagen“ in der Zeitung. Lügenpresse halt. Dennoch: Die Situation war ein Tanz auf Messers Schneide. Das Orga-Team hatte Mühe, eine Eskalation zu verhindern.
Wieder auf dem Augustusplatz eingetroffen ging es Schlag auf Schlag. Zwei Nachrichten erreichten das LEGIDA-Team hinter der Bühne. Erstens: Lutz Bachmann hatte wegen des Hitlerbärtchen-Skandals eben seinen Rücktritt aus dem Dresdener Orga-Team erklärt. Zweitens: PEGIDA kündigte an, LEGIDA zu verklagen. Hintergrund: LEGIDA hatte ein eigenes, deutlich schärferes, deutlich konkreteres Positionspapier online gestellt. PEGIDA Dresden erhob jedoch Anspruch auf alles, was unter dem Label -GIDA lief. LEGIDA sollte das Dresdener Positionspapier übernehmen oder auf den zur Marke gewordenen Namen verzichten. An diesem Abend war aber keine Zeit, weiter darüber nachzudenken; die LEGIDA-Leute zuckten mit den Schultern und winkten ab. Ich sagte ein paar Worte zur Hymne und sang dann vor etwa 5.000 Leuten. Hier dieser Abend aus Sicht der Zeit.
24. Januar 2015
Die Hymne war gut angekommen. Bereits wenige Tage später wurde ich deshalb gefragt, ob ich am Sonntag in Dresden die Nationalhymne singen würde – zur großen Versöhnungsfeier zwischen LEGIDA und PEGIDA. Die Anspannung, die in diesen Tagen von Leipzig ausging, war ungeheuer. Der Ton, in dem man mich anrief, pendelte zwischen bittend und lobend über fordernd bis vorwurfsvoll. Ich merkte deutlich, unter welch gewaltigem Druck LEGIDA stand und fragte mich, ob ich noch ein Leben haben würde, wenn ich mich dauerhaft in das Zentrum dieses Hexenkessels begeben würde. Eigentlich wollte ich das nicht, weshalb ich LEGIDA nach einigen Stunden Bedenkzeit zunächst absagte. Daraufhin rief mich ein ruhigeres Mitglied des Leipziger Orga-Teams an, redete mir ins Gewissen und bat mich noch einmal, doch in Dresden die Hymne zu singen. Ich ließ mich umstimmen und sagte zu.
Nun teilte man mir mit, Lutz Bachmann würde sich umgehend mit mir in Verbindung setzen und mich zurückrufen, um die Kosten der Übernachtung in Dresden zu klären. Dieser Rückruf erfolgte nie. Eine SMS wurde ebenfalls nicht beantwortet, und ich sang deshalb auch keine Hymne in Dresden. Die Versöhnungsparty fand ohne mich statt. Was mich sehr erleichtert hatte.
Allerdings fragte ich mich: Wieso ausgerechnet Bachmann? Der war doch wegen seines Hitlerbärtchen-Bildes offiziell aus der Leitungsverantwortung bei PEGIDA ausgestiegen. Dass Bachmann mich zurückrufen sollte, ließ nur den Schluss zu, dass er lediglich zum Schein zurückgetreten war, tatsächlich aber immer noch die Fäden in der Hand hielt. Eine Vermutung, die sich wenige Wochen später mit seiner Rückkehr auf die große Bühne auch bestätigte.
Eine Woche später riefen mich die LEGIDA-Leute erneut an und baten mich, die Hymne auf der nächsten Demo in Leipzig am 30. Januar wieder zu singen. Zu diesem Zeitpunkt hatte es allerdings eine weitere, in meinen Augen unerfreuliche Veränderung gegeben. Als Folge des Schulterschlusses mit PEGIDA hatte LEGIDA sein Positionspapier in drei Punkten anpassen müssen. Aus LEGIDAS ursprünglicher Forderung Nummer 7, der „Stärkung bzw. Wiedererlangung der Souveränität der europäischen Nationalstaaten in der EU-Gesetzgebung“ war die von Bachmann schon zwei Wochen davor verkündete Vision „Europa als Verbund starker Nationalstaaten (Vereinigte Staaten von Europa) unter Einbeziehung Russlands“ geworden. (Alles wörtlich aus den damaligen Positionspapieren!) Der Punkt „Vereinigte Staaten von Europa“ schien also für PEGIDA eine enorm große Rolle zu spielen und für LEGIDA eine Kröte zu sein, die man eben schlucken musste. Ich war enttäuscht.
Darüber hinaus war auch der Präambel-Text von LEGIDA deutlich modifiziert worden. Den „Vorrang“ der jüdisch-christlichen Kultur „gegenüber allen anderen Dingen“ suchte man nun ebenso vergebens, wie man dem Islam in Zukunft kein Missionierungverbot mehr abverlangen oder die „unbedingte Achtung unserer Kultur“ auferlegen wollte. Weggefallen war auch der Punkt, dass man eine Integration von Flüchtlingen nur dann als notwendig erachtete, wenn absehbar wäre, dass diese längerfristig in Deutschland verbleiben würden.
Stattdessen hieß es bei LEGIDA nun lapidar, Kirchen und Politiker sollten „den Erhalt unserer Kultur stärker in den Fokus ihres Handelns rücken“. Anderen Religionen stünde natürlich das Recht auf freie Religionsausübung zu; diese sollten jedoch unsere Gesetze und unsere Kultur achten. Man hatte also seine dezidierten, klar umrissenen Forderungen gegen windelweiche, politisch-korrekte Floskeln eingetauscht. Offenbar war den Leipzigern gründlich der Kopf gewaschen bzw. gesagt worden: entweder so – oder gar nicht.
Ich verfolgte damals die Änderung des LEGIDA-Positionspapieres im Internet und sagte LEGIDAS Bitte, in Leipzig die Hymne zu singen, vor dem Hintergrund der geänderten Positionen ab. Man fragte mich beinahe verständnislos, ob mir diese Punkte denn wirklich so wichtig seien. Nachdem ich bei meiner Ablehnung blieb, sagte man mir, man würde es dann eben noch einmal ändern, denn so wichtig wäre es nun wiederum LEGIDA nicht, ob dort die Formulierung „Vereinigte Staaten von Europa“ drin stände oder nicht. Keine Ahnung, was LEGIDA sich bei all dem dachte. Die Änderung wurde jedenfalls tatsächlich vorgenommen: Die Formulierung „Vereinigte Staaten von Europa“ verschwand aus dem LEGIDA-Positionspapier wieder. Bis heute. Trotzdem kam es nicht dazu, dass ich die Hymne sang. Danach wurde LEGIDA zwei Mal in Folge verboten.
27. Januar 2015
Schon längst hätte ich das tun sollen, was ich erst jetzt tat: Ich sah mir die Seite von Lutz Bachmanns vermeintlicher PR-Agentur an. Was ich dort zu sehen – oder besser gesagt, nicht zu sehen – bekam, war damals das letzte Quäntchen, welches mich zu dem Schluss brachte, dass möglicherweise nicht das in PEGIDA drin ist, was außen auf PEGIDA drauf steht. Oder vielleicht gerade: patriotische Europäer. Doch dazu später.
Bachmanns Homepage war derart dilettantisch aufgebaut, dass die Täuschung sofort auffiel. Ein Foto-Studio, dessen Galerie (!) aus ganzen 13 (!!!) Fotos bestand! 13 Fotos, die überwiegend monothematisch zusammengestellt waren – nämlich aus dem Akt- und Nightclub-Bereich. Allerdings mit Mädchen, die entgegen der peinlich-billigen Aufmachung über die teuersten Körper verfügten. Das waren keine gewöhnlichen sächsi Sächsinnen aus Dresden, Pirna oder Freital, die auch mal nackt fotografiert werden wollten. Das waren „Premium-Girls“.
Ich hatte zum Abgleich die Seiten anderer PR- und Fotoagenturen besucht. Allen war eines gemeinsam: Alle arbeiteten multithematisch. Es gab Fotos von Kindern, Hochzeiten, Sportveranstaltungen, Werbefotos, Luftbilder, es gab Akte (von „normalen“ Mädchen, denen man dieses Normalsein auch ansah!), Porträits, Baudokumentationen, Reisefotografie, Kalender, Firmenportraits, Kunstfotografien, Fotos von Schwangeren, Fotos von Kulturveranstaltungen usw. Man ist als Foto- und PR-Agentur eben breit aufgestellt, weil man Geld verdienen muss. Zu jeder dieser Sparte konnte man einige Fotos ansehen, so dass pro Agentur leicht über einhundert Bilder zusammenkamen. Lutz Bachmanns Seite hatte zur Erinnerung: dreizehn Bilder. Aus nahezu einer einzigen Sparte.
Dennoch gab er dort (in einer kleinen, schlecht lesbaren Billigschrift) an, in den vergangenen Jahren „hart gearbeitet“ zu haben, um die Agentur zu etablieren und sei nun besonders aufgrund seiner Flexibilität bei den Kunden beliebt. Ein Witz, wenn man die Seite sah. Dann das Foto von Lutz Bachmann selbst: Die Stirn glänzte im Fotoblitz wie mit einer Speckschwarte eingerieben. Hier war kein „Profi“ am Werk, keiner, der in Südafrika Grafikdesign studiert hatte.
Unter „Services“ behauptet der vermeintliche Lutz Bachmann zwar, seine Dienstleistungen beinhalteten auch Hochzeiten, Events und sonstiges. Verwies dann aber wieder auf seine Galerie, die fast ausschließlich nackte Hintern und blanke Nippel zeigte. Dazu noch ein frontal aufgenommenes Kamel – vielleicht das spöttische Sinnbild für all die hinters Licht Geführten. Zu der billigen, stupiden Aufmachung vor einfachem, grauen Hintergrund dudelte eine Sound-Schleife aus tempo-gepitchten, qualitativ sehr schlechten mp3-House-Klängen.
Kurz: Die „Homepage“ war das Werk eines schnellen Nachmittages. Hier wurde nicht – wie Bachmann verkündete – jahrelang auf den Erfolg hingearbeitet. Mit solch einer Seite bekommt man keinen einzigen Auftrag. Der vermeintliche Bachmann tauchte auch auf einer Seite der Fotocommunity auf. Schließlich braucht der Mann Spuren im Netz.
Dort gab es ebenfalls angebliche Fotografien von ihm zu sehen. Allerdings deutlich mehr als auf seiner Agentur-Homepage. Die Fotos stammten alle aus den Jahren 2006 bis 2010. Es waren aber überwiegend die selben Motive – einige Fotos sogar exakt die von seiner Homepage. Das bedeutet, der studierte Fotokünstler Lutz Bachmann hatte sich in den vergangenen 5 Jahren, in denen er angeblich so „hart arbeitete“, nicht nur künstlerisch überhaupt nicht weiterentwickelt – er schien auch in den vergangenen 5 Jahren überhaupt keine neuen Fotos mehr geschossen zu haben. Beide Seiten bzw. Profile sind mittlerweile gelöscht.
http://www.hotpepperpix.de/foto/index.html
http://www.fotocommunity.de/fotograf/lutz-bachmann/799613
Mit einem Wort: Nichts an der Geschichte der PR-Agentur war wahr. Da aber auch nichts an der Geschichte mit der islamischen Morddrohung wahr gewesen sein konnte und LEGIDA quasi total an die PEGIDA-Kandare genommen worden war, fragte ich mich, was an PEGIDA überhaupt wahr war.
War Lutz Bachmann wirklich in Südafrika gewesen? Oder ist das ebenso erfunden wie seine PR-Agentur und die Morddrohung gegen ihn? Ist Lutz Bachmann überhaupt der, der er ist? Und wenn nicht – wer oder was ist er dann? Ein V-Mann? Wer sind die anderen Mitglieder des geheimnisvollen Orga-Teams, zu welchem offenbar jeder Kontakt fast unmöglich ist? Wieso wurde Katrin Oertel nach ihrem letzten Auftritt bei PEGIDA unter Polzeischutz weggebracht?
19. Oktober 2015
Am Montag stand ich also auf dem Theaterplatz, lauschte einer Veranstaltung, die jedem bürgerlichem Protest hohnlachte, und all dies war plötzlich wieder da. Die Worthülsen fielen mir auf, der „Kampf um den Erhalt der deutschen Kultur“ beispielsweise. Wurde der etwa hier ausgefochten? Nein, wurde er nicht. Keiner wird durch PEGIDA zum Komponisten. Keiner beginnt wegen PEGIDA, ein Instrument zu lernen, keiner wird wegen PEGIDA zum Dichter und Denker, keiner lernt sich deswegen in ein Kunsthandwerk ein, keiner wird wegen PEGIDA seinen Kindern eine christliche Erziehung zuteil werden lassen oder ihnen Grimms Märchen zum Einschlafen vorlesen, wenn er es bis jetzt nicht getan hat. Keiner wird wegen PEGIDA der Gossen- oder Fäkalsprache abschwören. Im Gegenteil: Durch Pirincci zog sie erst ein. Die Verteidigung der Kultur ist also eine pathetische Worthülse ohne Inhalt.
Und das Volk? Kann es wirklich Volk sein? Durch PEGIDA? Mitnichten! Ihm steht ein Orga-Team gegenüber, das ebenso geheimnisvoll, unzugänglich und intransparent ist, wie alle höheren Parteiebenen. Die Kommunikation findet fast ausschließlich elektronisch statt. Echte Begegnungen zwischen der Führungsebene und dem Volk sind nicht vorgesehen. Deshalb hat auch bei PEGIDA – genau wie im real existierenden Parteiensumpf – kein integerer, gewitzter, intelligenter und gebildeter Mensch die Chance, zu einer politischen Charakterfigur heranzuwachsen. Seit Jahr und Tag haben wir es bei PEGIDA mit einer Einöde aus farblosen Figuren zu tun, die sich wie beim Ringelreihen von Woche zu Woche ablösen und im Land die Runde machen. Mal spricht jener da, dann wieder dieser dort usw. Aber es ist ein Figurenkabinett aus viel zu wenigen. So wird das Volk nicht repräsentiert. Und wieso rief eigentlich kein Unbescholtener PEGIDA ins Leben? Wieso durfte es kein Kirchenmann sein, wieso kein geschasster Cellist, kein ehemaliger DDR-Sportler, wieso kein Mitglied eines Apotherkerverbandes oder einer islamkritischen Historikergruppe? Wieso musste es ein Ex-Knacki, ein Ex-Dealer, ein Ärsche- und Nippelfotograf, ein Hitlerbärtchen-Träger sein?
Und die Ergebnisse? An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen, heißt es. Also: Selbst wenn alles oben ausgeführte die bittere Wahrheit wäre, wäre es dennoch irrelevant, hätte man innerhalb dieses einen Jahres eine merkliche Veränderung der Situation hin zum Besseren erstritten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Während PEGIDA spazierenging und redete, hatte die Regierung ein Jahr lang Zeit, Fakten zu schaffen. Butter bei die Fische: PEGIDA hat nicht die geringste Wirkung erzielt, nicht den geringsten Erfolg verzeichnet. Außer einem – und dies ist vielleicht die fatalste von allen: PEGIDA gab dem Volk – oder Teilen des Volkes – das (trügerische) Gefühl, es hätte eine Stimme. PEGIDA fing die Gefühle der Menschen ein, die Wut, die Fragen, die Unzufriedenheit, das Bedürfnis, sich hörbar zu machen und die Sehnsucht nach Nationalstolz. PEGIDA kanalisierte diese Emotionen und ließ sie dann – kontrolliert verpuffen… Im Nichts… Das scheint mir seit Montag die eigentliche Aufgabe von PEGIDA zu sein.
Gibt es weitere Indizien, dass PEGIDA gesteuert ist? Ja, es gibt sie.
Da wäre zunächst der Name. Das Akronym. Akronyme sind die typische Handschrift von (US-)Thinktanks. NATO ist so ein bekanntes Akronym. Oder ISIS. Isis – die ägyptische Totengöttin. Was für eine Assoziation mit dem islamischen Staat! Das Werk von Kreativen, von Werbetextern. Und ganz sicher nicht das Werk von ungebildeten, muslimischen Mord- und Räuberbanden.
Sollte Bachmann nicht auch aus der PR-Branche kommen? Natürlich. Der Schluss, dass das Akronym von ihm erfunden wurde, lag nahe. Ebenso wie das bekannte PEGIDA-Logo. Nur dass Bachmann eben in Wahrheit kein Werbemann gewesen sein kann.
Ist es nicht seltsam, dass schon zur ersten Demo, am 20. Oktober 2014, als noch keiner wusste, ob überhaupt jemand kommen würde, ob überhaupt eine Bewegung entstehen würde – ist es nicht seltsam, dass jemand, der einfach nur einen Protestmarsch anmeldete, dies unter dem werbesloganartigen, die Metaebene bedienenden Überbau „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ tut? Eines Slogans, der exakt jene Voraussetzungen erfüllte, um ein gut aussprechbares Akronym daraus zu konstruieren – Konsonant / Vokal / Konsonant / Vokal / Konsonant / Vokal? Hätte er nicht eigentlich Patriotische Deutsche gegen Islamisierung sagen müssen? Nur sprechen Sie das mal aus – PDGI. Das macht keinen Spaß.
Um von der überaus gelungenen Wortschöpfung PEGIDA abzulenken, wurde in den Medien wochenlang darauf herumgeritten, wie blöd und völlig misslungen dieser Name wäre. Wieder: eine Ablenkung. Denn PEGIDA ist genial. Phonetisch genial, weil gut auszusprechen, semantisch genial, weil noch frei von Bedeutung und daher offen, mit Bedeutung angefüllt zu werden. Inhaltlich ist PEGIDA wohl auch genial, weil keiner am Affront der offensichtlichen Zurückweisung von Nationalstaatlichkeit Anstoß nahm. Hier äffte der Narr das Volk. Denn was ist das, ein „patriotischer Europäer“? Doch wohl jemand, dessen Vaterland Europa heißt, oder?
Weiterhin wären da noch Bachmanns Aussprüche „Dresden zeigt wie’s geht“, „PEGIDA wirkt“ und „PEGIDA ist gekommen um zu bleiben“. Wem fielen dabei nicht die Slogans des größten Schaumschlägers des 21. Jahrhunderts – Barack Hussein Obama – ein? Kurze, knackige, griffige Redewendungen, gerade einfach genug, um im Adrenalinzentrum jedes Ottonormalsdödels einen kleinen Schub auszulösen.
Ach ja, und dann diese Führungsduos. Zuerst Bachmann und Oertel. Ein Mann und eine Frau. Ein Team. Wie in jedem Tatort, wie im asozialen Frühstücksradio und in jeder zweiten Nachrichtensendung. Indentifikations- und Projektionsfläche für Männlein und Weiblein. Alle mitnehmen. Keiner soll (darf) draußen bleiben. Nachdem Oertel weg war kam, wie Phönix aus der Asche – na wer…? Eine Frau, Tatjana Festerling. Alles wie nach Drehbuch. Alles wohlbekannte Muster, die keinem mehr auffallen, weil wir schon so sehr darauf konditioniert sind, dass wir sie bereits erwarten, anstatt sie zu hinterfragen.
Ist Bachmann also ein V-Mann? Logik und Indizien legen diesen Schluss zumindest nahe. Nur in diesem Licht ergibt alles, was an PEGIDA bislang kurios erschien, einen Sinn: die relative Wort- und Tatenlosigkeit der Regierung gegenüber PEGDA, die wohldosierten, wenngleich heftigen Provokationen der Medien – stark genug, um Sichtweisen auf beiden Seiten zu verhärten, aber tatsächliche revolutionäre Zustände nicht ausbrechen zu lassen.
Bachmann hat das klug gemacht, hat immer wieder an die Vernunft appelliert, zu friedlichen Spaziergängen aufgerufen. Wie in der Klapsmühle: Um gegen irgendetwas zu sein, geht man mit dem Betreuer abends einmal gemütlich um den Block spazieren. Die perfekte Vorlage dafür lieferte ohne Zweifel 1989. Man wird kalkuliert haben, dass die Menschen sich noch daran erinnern würden, dass sie es genau so wieder haben wollen würden, weil es für sie ein historisch seliger Moment war. Um die Täuschung vollkommen zu machen, empörte man sich über die Verwendung des Ausrufes „Wir sind das Volk!“ und lachte sich heimlich ins Fäustchen, wie wunderbar die Inszenierung funktionierte. Mit den eigenen Leuten am Start, die nur das umsetzen, was man ihnen auftrug, konnte im Prinzip nur sehr wenig schief gehen. Alles unter Kontrolle.
Wozu aber dieser Aufwand? Ganz einfach: um eines höheren Zieles Willen. Um die Demokratie abschaffen zu können ist es nötig, die Illusion, sie existiere weiterhin, über ihren eigenen Tod hinaus aufrecht zu erhalten und ihr Funktionieren noch eine Weile zu simulieren. Etwa so, wie man einen klinisch Toten mit ein paar Stromstößen noch ein wenig zucken lassen und Unkundigen damit noch vorhandenes Leben vortäuschen könnte. Was sollte sich zur Demokratie-Simulation besser eignen, als ein breiter, von oben geduldeter Volksprotest? In einer Diktatur gibt es so etwas nicht. Das weiß doch jeder. Steuert der Staat also ganz gezielt Massendemos, hält er die Massen – Befürworter wie Gegner der Bewegung – im Irrtum gefangen, kanalisiert Energien, die ihm gefährlich werden könnten und lässt sie, wie gesagt, im Nirwana verpuffen.
Aus strategischer Sicht ist das – man kann es nicht anders sagen – auf eine teuflische Weise genial; fast möchte man applaudieren, wenn es nicht so falsch wäre. Das Volk hat keine Ahnung, wie vollkommen es manipuliert wird, wie total unterlegen es ist. Man kann es daher nur wiederholen: Es gibt nur eines, das jetzt noch helfen kann.
Ihr
Marko Wild
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