Brasilien: der größte Generalstreik der Geschichte

Dieses Beispiel könnte Schule mache – es ist offensichtlich keine Farbrevolution!

R.

1.05.2017 • 14:55 Uhr

Brasilien: der größte Generalstreik der Geschichte

Ein Platz in Sao Paulo: Streikende
In Brasilien beteiligten sich am vergangenen Freitag 40 Millionen Menschen an einem Generalstreik. Das Land war lahmgelegt. Allerorts gab es leere Straßen, Schulen und Fabriken. Das Transportwesen stand weitgehend still. Flughäfen und Banken blieben geschlossen. In Rio de Janeiro gab es am Abend gewalttätige Ausschreitungen.

Die Maßnahmen des ungewählten Präsidenten Michel Temer führen zu wachsendem Widerstand in Brasilien. Die größten Gewerkschaftsorganisationen haben zur Kampfmaßnahme gegen die Gesetzesinitiativen des Präsidenten aufgerufen. Das neue Rentengesetz und die Aushöhlung der Arbeitsgesetze haben für Empörung gesorgt. Über beide Gesetzesvorlagen soll in der kommenden Woche im Kongress abgestimmt werden.

 https://twitter.com/MidiaNINJA/status/857856577767968768/photo/1

Foto: Flughafen von Sao Paulo: Zufahrtsstraße blockiert

Die soziale Lage hat sich seit Präsident Temers Machtübernahme verschlechtert. Die Arbeitslosenzahlen waren noch nie so hoch: 13,7 Prozent, das sind 14,2 Millionen Arbeitssuchende.

Demonstranten auf einem Protest des Gewerkschaftsverbandes National General Confederation of Labor (CGT) solidarisieren sich mit einem Streik der Lehrer, Buenos Aires, 7. März 2017.

Sowohl die linksgerichtete Gewerkschaftszentrale CUT als auch die Gewerkschaft Força Sindical, die eher dem rechten Lager zuzurechnen ist, haben den Generalstreik als vollen Erfolg gefeiert.

Präsident Temer bedauerte am Abend des Streiktages, dass Straßen und Busbahnhöfe blockiert worden seien und es in Rio de Janeiro zu Ausschreitungen gekommen ist.

Ex-Präsident Luiz Lula da Silva erklärte:

Es ist gut zu sehen, wie die Menschen Brasiliens sich ihrer Lage bewusst werden.

Der frühere Gewerkschaftsführer steht bei allen Umfrageergebnissen in Bezug auf die nächsten Wahlen 2018 an der Spitze.

Der Putsch-Präsident Temer besitzt zur Zeit nur noch 10 Prozent an Zustimmung in der Bevölkerung.

https://deutsch.rt.com

Brasilien: Massive Proteste nach „parlamentarischen Putsch“ (Videos)

6. September 2016

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Täglich Demonstrationen gegen De-facto Regierung von Michel Temer. Dilma Rousseff legt Berufung beim Obersten Gerichtshof gegen Senatsentscheidung ein.

In Brasilien reißen die Demonstrationen und Protestaktionen gegen die Absetzung von Präsidentin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei PT nicht ab. Auch viele lateinamerikanische Regierungen kritisieren den Vorgang scharf. Rousseff hat indes beim Obersten Gerichtshof Widerspruch gegen die Senatsentscheidung vom 31. August eingelegt.

In zahlreichen Städten gehen seit dem vergangenen Mittwoch täglich Zehntausende auf die Straße, um gegen den „parlamentarischen Putsch“ zu demonstrieren, mit dem die im Jahr 2014 mit 54 Millionen Stimmen wiedergewählte Präsidentin aus dem Amt gedrängt wurde.

Aktivisten sozialer Bewegungen, linker politischer Gruppen, Gewerkschaftsangehörige, Studierende, Frauen, alte und junge Bürger versammeln sich bei vielfältigen Protesten gegen die Regierung von De-facto-Präsident Michel Temer. Teilnehmer der Proteste berichten von extremer Polizeigewalt und massivem Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen, zahlreiche Menschen seien verletzt worden (Proteste nach Putsch in Brasilien: Neuer Präsident war Informant für US-Regierung (Videos)).

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(Demonstration in Uberaba im Bundesstaat Minas Gerais: „Die Putschisten werden nicht durchkommen“)
Eine junge Frau in São Paulo verlor ihr Augenlicht, nachdem sie von einem Granatsplitter getroffen wurde. Journalisten berichten über tätliche Angriffe und die Zerstörung ihrer Ausrüstungen. Der Kongressabgeordnete John Carlos Siqueira, Präsident der Kommission für Menschenrechte und Minderheiten des Repräsentantenhauses (CDHM), verurteilte die starke Repression durch die Militärpolizei und mahnte die Einhaltung des Demonstrationsrechtes an.

Die Anwälte der Ex-Präsidentin haben am Donnerstag beim Obersten Gerichtshof des Landes Widerspruch gegen ihre Verurteilung eingelegt. Sie argumentieren, dass die vom Senat erhobenen Vorwürfe gegen Rousseff auf zwei Gesetzesvorschriften aus dem Jahr 1950 beruhen, die nicht mit der Verfassung von 1988 und den dort verankerten Regelungen über ein Amtsenthebungsverfahren vereinbar seien. Außerdem sei ein Anklagepunkt nach der Abstimmung im Abgeordnetenhaus im April modifiziert worden.

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(Bei einer Demonstration in São Paulo. Teilnehmer berichten auch hier von extremer Polizeigewalt)

Das gesamte Verfahren müsse neu aufgerollt werden. Die rechte Mehrheit im Senat hatte Rousseff vorgeworfen, drei den Staatshaushalt betreffende Dekrete erlassen zu haben, ohne vorher die Zustimmung des Kongresses einzuholen. Sie habe damit ein „Verbrechen“ begangen und gegen das Haushaltsgesetz verstoßen, zudem „kriminelle Tricks“ angewandt. Im Verlauf der Debatten wurde jedoch deutlich, dass ihr keine kriminellen Handlungen nachgewiesen werden konnten, sondern ein Machtwechsel aus politischen Gründen gewollt war.

Derzeit bereitet der Generalsekretär der Union südamerikanischer Nationen (Unasur), Ernesto Samper, eine Sondersitzung vor, auf der die Amtsenthebung Rousseffs behandelt werden soll. In einem Unasur-Kommuniqué heißt es, dass die Vorfälle in Brasilien „Besorgnis hervorrufen und regionale Auswirkungen haben, deren Prüfung eine außerordentliche Tagung der Außenminister rechtfertigt“.

Zuvor hatten die Regierungen von Bolivien, Ecuador und Venezuela aus Protest gegen die Absetzung Rousseffs ihre Botschafter aus Brasilien abberufen. Auch Nicaragua, Kuba,Uruguay und El Salvador verurteilten den „parlamentarisch-juristischen Staatsstreich“ und sprachen von einer „zutiefst ungerechten Entscheidung“. Dagegen erklärten die Regierungen vonArgentinien, Kolumbien, Paraguay, Guatemala und Chile, dass sie den „institutionellen Prozess in Brasilien respektieren“.

Urguays Ex-Präsident José Pepe Mujica sagte bei einer Veranstaltung im Rahmen des „Kontinentalen Aktionstages für die Demokratie und gegen den Neoliberalismus“ in Montevideo, es habe sich zweifellos um einen Staatsstreich gehandelt. Die Debatte im Senat sei eine „gigantische Pantomime“ gewesen, da die Entscheidung zum Sturz Rousseffs vorher und an anderer Stelle getroffen wurde. Sie sei nicht mit der Korruption einverstanden gewesen, deshalb habe die Präsidentin gehen müssen, so Mujica (Ein kalter Putsch: Wende in Lateinamerika).

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(Tausende gingen auch in Florianópolis, der Hauptstadt des Bundesstaats Santa Catarina, am Freitagabend wieder auf die Straße)

Auch in Europa meldeten sich Kritiker zu Wort. Die spanische Linkspartei Podemos fordertedie Europäische Union auf, die politischen und Handelsbeziehungen zur brasilianischen Interimsregierung abzubrechen. Die Linksfraktion im Europaparlament (GUE/NGL) verurteiltein einer Stellungnahme „den Staatsstreich gegen eine demokratisch gewählte Präsidentin“.

Dies sei nur das jüngste Beispiel einer neuen Strategie imperialistischer Kräfte, progressive, vom Volk gewählte Regierungen zu beseitigen. Die GUE/NGL stehe an der Seite der demokratischen Kräfte Brasiliens und solidarisiere sich mit all jenen, „die gegen die hinter diesem Putsch stehenden reaktionären Kräfte kämpfen“.

Der stellvertretender Vorsitzende der deutschen Partei Die Linke, Tobias Pflüger, erklärte, seine Partei verurteile den „kalten Putsch gegen die PT“ und unterstütze die Forderung nach Neuwahlen. Die brasilianische Bevölkerung solle selbst entscheiden, ob sie die „reaktionäre Interimsregierung haben will oder Demokratie, soziale Gerechtigkeit und ein progressives Brasilien“. Außerdem fordert Die Linke die Bundesregierung auf, die Amtsenthebung nicht anzuerkennen.

Globale Finanzmacht gegen Rousseff

Allerdings stehen auch mächtige wirtschaftliche Interessen hinter dem Putsch. Brasiliens Wirtschaft wurde zum Opfer einer global angelegten, künstlich provozierten Krise der Rohstoffpreise, besonders des Ölpreises. Hintergrund derselben ist, dass sich die BRICS-Staaten weit vorgewagt haben mit ihrem Versuch, eine gemeinsame souveräne Entwicklung anzustreben.

Ihr Zukunftsprojekt einer multipolaren Weltwirtschaft unter Nutzung der eigenen Währungen rührte an den neuralgischen Punkt der US-Ökonomie und an der globalen Bedeutung des Dollars. So hatte Präsidentin Dilma Rousseff in ihrer Regierungszeit eine bedeutende Empfehlung ihres Vorgängers Luis Ignacio Lula da Silva ignoriert: Sie weigerte sich, die Kontrolle über die Währungspolitik Brasiliens weiterhin einem direkten Vertreter der Wall Street, einem US-amerikanischen Staatsbürger, zu überlassen.

Sein Name ist Henrique Campos de Meirelles. Lula hatte sich vorläufig mit der Macht arrangiert, die er nicht besiegen konnte. Dies machte er wohl auch nicht ganz freiwillig, denn er musste der Ernennung Campos de Meirelles‘ zum Chef der Zentralbank noch vor seinem Amtsantritt zustimmen.

Henrique Meirelles war zuvor Präsident und Geschäftsführer der Bank of Boston und von FLEET BOSTON gewesen, einer der größten Finanzinstitutionen der Wall Street und der zweitgrößte Kreditgeber in Brasilien. In ihrer ersten Amtszeit hatte Präsidentin Dilma Rousseff stattdessen den brasilianischen Finanzexperten Alexandre Antônio Tombini an die Spitze der Zentralbank gestellt.

Auch nach ihrer Wiederwahl ließ sie Meirelles außen vor. Das war nach Meinung vieler Beobachter in Brasilien ein entscheidender Anstoß für den Staatsstreich. Michel Temer ernannte die graue Eminenz der brasilianischen Finanzpolitik hingegen sofort nach seinem Amtsantritt wieder zum neuen Finanzminister.

Meirelles wiederum ließ sich nicht lange bitten und setzte zwei seiner engsten Freunde aus der Wall Street an die Spitze der Zentralbank, nämlich Ilan Goldfajn und Paulo Caffarelli, die nun wieder die Chefetage der Banco do Brasil kontrollieren. Ilan Goldfajn hatte zuvor in der Chefetage der Bank Itau gearbeitet, der größten Privatbank Brasiliens und in der brasilianischen Zentralbank. Er hat enge Verbindungen zum IWF, zur Weltbank und zur US-amerikanischen Zentralbank, der Fed.

Paulo Caffarelli war wiederum jahrzehntelang Mitglied des Direktoriums der Banco do Brasil und Exekutiv-Sekretär im Finanzministerium. Damit ist die Währungspolitik Brasiliens wieder unter der Kontrolle des altbekannten Banker-Klüngels. Unter Mireilles darf sich die Regierung nun auch nicht mehr in die Entscheidungen der Zentralbank einmischen.

Literatur:

Geo-Imperialismus von Wolfgang Effenberger

Kreuzzug gegen Venezuela – Der Chávez Code: Entlarvung der US-Intervention gegen Hugo Chávez und die bolivarische Revolution. Analyse und Dokumente (Z-Forum) von Eva Golinger

Der Putsch in Honduras, 2009: Hintergründe und Konsequenzen von Andrea Courtin

Videos:

Quellen: PublicDomain/amerika21.de/deutsch.rt.com am 04.09.2016

http://www.pravda-tv.com/

Brasiliens Präsidentin Rousseff wurde ihres Amtes enthoben

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff wurde ihres Amtes enthoben, neuer Staatschef ist Michel Temer. „Das Zepter übernehmen die Anhänger einer Wachstumsideologie ohne Augenmaß“, meint Roberto Maldonado vom WWF.
Bleibt Dilma Rousseff Brasiliens Präsidentin? Foto: Fernando Bizerra Jr./dpa
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff wurde ihres Amtes enthoben, neuer Staatschef ist Michel Temer.

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff ist des Amtes enthoben worden. Der Senat in Brasília votierte mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit für die Absetzung der ersten Frau an der Spitze des fünftgrößten Land der Welt. Nach dreitägiger Debatte haben 61 Senatoren für die Amtsenthebung gestimmt, 20 waren dagegen.

Nachfolger wird der bisherige Vizepräsident Michel Temer von der Partei der demokratischen Bewegung, der das Land mit einer liberal- konservativen Regierung nun bis zur nächsten Wahl 2018 führen wird.

Nach der feierlichen Zeremonie fliegt der Michel Temer zum G20-Gipfel in China. Er gilt als wendig, aber seine PMDB als nicht minder korrupt. „Das Zepter übernehmen die Anhänger einer Wachstumsideologie ohne Augenmaß“, meint Roberto Maldonado vom WWF.

Anklagepunkte gegen Rousseff sind Tricksereien beim Staatshaushalt sowie öffentliche und Kreditvergaben ohne Zustimmung des Kongresses. Aber einige dieser Dekrete wurden von Temer unterzeichnet. Peinlich war für Temer eine WhatsApp-Panne. Aus Versehen geriet über den Mitteilungsdienst der Entwurf einer Rede an das Volk in Umlauf, für den Fall, dass er an die Staatsspitze rückt. (dpa/ks)

http://www.epochtimes.de/

Lest bitte dazu auch diesen Beitrag:

http://www.handelsblatt.com/politik/international/michel-temer-retter-oder-verraeter/14473076.html

Dilma Rousseff: „Das Volk wird keine durch Erpressung geschaffene Regierung akzeptieren“

Dilma Rousseff: „Das Volk wird keine durch Erpressung geschaffene Regierung akzeptieren“

In ihrem Exklusivinterview mit RT bezweifelt die in einem umstrittenen Absetzungsprozess aus ihrem Amt entfernte brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff die Legitimation und die politische Lauterkeit der Übergangsregierung an, die an ihre Stelle getreten ist. Sie bestreitet, in irgendwelche gesetzeswidrigen Vorgänge involviert gewesen zu sein. Bedenklich sei vor allem, dass die Übergangsregierung soziale Verbesserungen für die Armen im Land abschaffen will.

https://deutsch.rt.com

Dilma Rousseff: Ich bin unschuldig und werde bis zum Ende gegen diesen Putschversuch kämpfen

Dilma Rousseff: Ich bin unschuldig und werde bis zum Ende gegen diesen Putschversuch kämpfen

Die brasilianische Präsidentin, Dilma Rousseff, hat heute eine Rede an die Nation gehalten, nachdem der Senat dafür gestimmt hat, sie für 180 Tage von ihrem Amt auszusetzen, während das Amtsenthebungsverfahren gegen sie fortgesetzt wird. Dilma erklärte, dass sie unschuldig sei und nie ein Verbrechen begangen habe, sondern man sie putschen will. Sie werde bis zum Ende kämpfen, um ihr Amt weiter ausführen zu können und um nicht zuzulassen, dass einer unschuldigen Person der Prozess gemacht wird.

Für deutsche Untertitel bitte die Untertitelfunktion auf Youtube aktivieren.

https://deutsch.rt.com

Bitte auch dazu diesen Beitrag über einige Hintergründe lesen:

https://jasminrevolution.wordpress.com/2016/05/14/brasilien-putsch-propaganda-hilfe-von-deutschen-medien/

Wie nach Drehbuch: Brasiliens Präsidentin Rousseff durch Wall Street-Liebling ersetzt

13.05.2016 von https://deutsch.rt.com/

Wie nach Drehbuch: Brasiliens Präsidentin Rousseff durch Wall Street-Liebling ersetzt

In Brasilien überschlagen sich die Ereignisse: Nachdem das Misstrauensvotum gegen Präsidentin Dilma Rousseff eine Mehrheit fand, hat Michel Temer die Amtsgeschäfte übernommen. Nur zwei Prozent der Brasilianer stehen hinter Temer, doch Big Business und Wall Street feiern den Wechsel an der Spitze des lateinamerikanischen Staates. Schon seit Wochen warnen Beobachter in Brasilien vor einem institutionellen Putsch, hinter dem Interessengruppen in den USA stehen.

Die Elite in Brasilien führt Krieg gegen die Grundlagen der Demokratie

Um zu verstehen was in Brasilien vor sich geht, muss man sehen, wer als Präsident und wer als Finanzchefs eingesetzt wird
Michel Temer (mitte) unter Partei-Freunden. Links sein Vertrauter Moreira Franco, rechts Eduardo Cunha

Michel Temer (mitte) unter Partei-Freunden. Links sein Vertrauter Moreira Franco, rechts Eduardo Cunha

Diesen Beitrag haben wir mit Erlaubnis von The Interceptübernommen, wo er  am 21. April 2016 erschien

Für Außenstehende ist es in der aktuellen politischen Krise Brasiliens und mit Blick auf den laufenden Versuch, Präsidentin Dilma Rousseff zu stürzen – die bei ihrer Wiederwahl vor nur 18 Monaten mit 54 Millionen Stimmen erfolgreich war – nicht einfach, bei der Vielzahl der widerstreitenden Behauptungen Klarheit zu behalten.

Um das wahrhaft Undemokratische zu verstehen, das derzeit stattfindet,muss man  einen nähereren Blick auf den werfen, den die brasilianischen Eliten und ihre Medien als Präsidenten installieren wollen: den korrupten, zutiefst unpopulären, der Oligarchie dienenden Vizepräsidenten Michel Temer. Dann klärt sich, was derzeit wirklich vor sich geht und weswegen die Welt aufs äußerste beunruhigt sein sollte.

Simon Romero, der Chef des Brasilien-Büros der New York Times, hatte vergangene Woche ein Interview mit Temer, und so beginnt sein exzellenter Artikel:

„Rio de Janeiro.Laut einer kürzlichen Umfrage würden nur zwei Prozent der Brasilianer für ihn stimmen. Nach Zeugenaussagen, die ihn mit groß angelegten Schiebereien in Verbindung bringen, steht er unter Beobachtung. Und die Justiz erwägt ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn. Michel Temer, der Vizepräsident Brasiliens, bereitet sich darauf vor, das Steuer Brasiliens zu übernehmen, falls der Senat entscheidet, Präsidentin Dilma Rousseff vor Gericht zu stellen.“

Wie kann irgendjemand ernsthaft glauben, dass die Wut auf Korruption die Bemühungen der Elite antreibt, Dilma abzusetzen, wenn sie jetzt jemanden zum Präsidenten machen, der viel gravierender der Korruption beschuldigt wird als sie? Es ist eine offensichtliche Farce. Aber da ist noch etwas Schlimmeres.

Der Dritte in der Reihe der Präsidentschaftsanwärter, direkt nach Temer, wurde als schamlos korrupt entlarvt: Der evangelikale Eiferer und Präsident der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha. Er war treibende Kraft bei den Aktivitäten für die Amtsenthebung; im vergangenen Jahr wurde er dabei nertappt, Millionen Dollar Schmiergeld auf Schweizer Banken versteckt zu haben. Im Kongress hatte er gelogen und jegliche Konten auf Auslandsbanken geleugnet. Auf Romeros Frage, welche Haltung Temer gegenüber Cunha einnehmen werde, wenn er an der Macht ist, antwortete Temer folgendermaßen:

„Herr Temer verteidigte sich und seine engsten und vielfach angeschuldigten Mitstreiter. Er bekräftigte seine Unterstützung für Eduardo Cunha, den in Skandalen verfangenen Parlamentspräsidenten und Koordinator der Bestrebungen für die Amtsenthebung im Kongress, und fügte hinzu, er würde Cunha nicht auffordern zurückzutreten. – Herr Cunha wäre der nächste Anwärter auf die Präsidentschaft, im Falle dass Temer das Ruder übernimmt.“

Allein dies illustriert den massiven Schwindel, der hier stattfindet. Wie mein Partner, David Miranda, in seiner Kolumne im Guardian schrieb: „Jetzt ist klar geworden, dass keinesfalls Korruption der Grund ist, Brasiliens zweifach gewählte Präsidentin zu stürzen, Korruption ist nichts als ein Vorwand“. Die führenden brasilianischen Medien werden fordern (wie Temer), nach Dilmas Absetzung die anderen korrupten Politiker ebenfalls zur Verantwortung zu ziehen, aber sie werden genau das nicht tun, und Temers skandalöse Unterstützung für Cunha beweist das. Laut Pressemeldungen plant Temer, als Generalstaatsanwalt – eine Schlüsselposition der Regierung zur Untersuchung von Korruptionsfällen – einen speziell von Cunha ausgewählten Politiker einzusetzen. Und wie Miranda in seiner Kolumne feststellt: „Der wirkliche Plan hinter dem Absetzungsverfahren gegen Rousseff besteht darin, den laufenden Untersuchungen ein Ende zu setzen, die Korruption also zu verstecken und nicht, sie zu bestrafen.“

Aber es gibt weitere zentrale Motive. Man schaue sich an, wer Brasiliens Wirtschaft und Finanzen übernehmen soll, sobald Dilmas Wahlsieg annulliert ist. Vor zwei Wochen meldete Reuters als Temers Favoriten für die Zentralbank Paulo Leme, den Vorsitzenden von Goldman Sachs in Brasilien. Und heute berichtet Reuters: „Murilo Portugal, Chef von Brasiliens mächtiger Bankenlobby“ – und langjähriger Funktionär des Internationalen Währungsfonds – „ist aussichtsreicher Kandidat für das Finanzministerium im Falle von Temers Machtübernahme.“ Temer gelobte auch eine strenge Sparpolitik für eine bereits notleidende Bevölkerung: er beabsichtigt „die Regierung zu verkleinern“ und die „Ausgaben zusammenzustreichen“.

In einer Telefonkonferenz am Freitag, 15. April mit JP Morgan nannte der Vorsitzende der Banco Latinoamericano de Comercio Exterior SA, Rubens Amaral, das Absetzungsverfahren gegen Dilma „einen ersten Schritt zur Normalisierung Brasiliens“. Er sieht „definitiv neue Möglichkeiten“, sofern Temers neue Regierung „strukturelle Reformen“ in die Wege leitet, wie die Finanzwelt sie verlangt. Die neuesten Meldungen über Temers bevorzugte Kandidaten lassen erkennen, dass Herr Amaral und seine Plutokraten zufrieden sein werden.

Die führenden brasilianischen Medienkonzerne wie Globo, Grupo Abril (Veja) und Estadão unterstützen indes das Amtsenthebungsverfahren fast einstimmig („Keine abweichende Meinung erlaubt“), und, wie Miranda in seiner Kolumne ausführlich beschreibt, befeuerten die Straßenproteste von Beginn an. Warum ist das bezeichnend? „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlichte am21. April seine „Pressefreiheit-Rankings 2016“. Darin rangiert Brasilien wegen der Gewalt gegen Journalisten auf Platz 103, aber auch wegen dieser entscheidenden Tatsache: „Die Medien sind nach wie vor hochkonzentriert, vor allem in den Händen großer industrieller Familien, die oft mit der politischen Klasse verbunden sind.“  Ist es etwa nicht glasklar, was hier vor sich geht?

Um also zusammenzufassen: Brasiliens Finanz- und Medieneliten geben vor, dass die zweifach gewählte Präsidentin des Landes wegen Korruption abgesetzt wird, während sie konspirieren, um die korruptesten politischen Figuren an die Macht zu bringen. Damit drängen die Oligarchen Brasiliens eine gemäßigt linke Regierung aus dem Amt, die in vier aufeinanderfolgenden Wahlen im Namen der Ärmeren des Landes gewann, und übergeben stattdessen Goldman Sachs und den Lobbyisten der Banken die Kontrolle über die brasilianische Wirtschaft, die siebtgrößte der Welt.

Der Betrug, der hier vor sich geht, ist ebenso unverfroren wie zerstörerisch. Aber es ist das bekannte Muster, das sich rund um den Globus wiederholt, besonders in Lateinamerika, wo eine winzige Elite einen eigennützigen, selbstsüchtigen Krieg gegen die Grundlagen der Demokratie führt. Brasilien mit seiner weltweit fünftgrößten Bevölkerung war ein hoffnungsvolles Beispiel dafür, wie eine junge Demokratie reifen und sich entwickeln kann. Aber nun werden die demokratischen Strukturen und Prinzipen von der gleichen Finanz- und Medienklasse frontal angegriffen, die jahrzehntelang die Demokratie unterdrückt und diesem Land die Gewaltherrschaft aufgezwungen hat.

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Brasiliens Präsidentin Rousseff droht rasche Amtsenthebung – dann wäre sie zunächst für 180 Tage suspendiert

Epoch Times, Freitag, 15. April 2016 07:20
Bei mindestens 89 Auftragsvergaben des staatlich kontrollierten Ölkonzerns Petrobras an Bauunternehmen sollen Schmiergelder geflossen sein. Gegen dutzende Politiker wird derzeit ermittelt – parteiübergreifend.
Für Präsidentin Dilma Rousseff sieht es nicht gut aus.
Für Präsidentin Dilma Rousseff sieht es nicht gut aus.

Foto: EVARISTO SA/Getty Images

Brasiliens Oberster Gerichtshof hat grünes Licht gegeben für eine womöglich vorentscheidende Abstimmung über eine Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff.

Die Mehrheit der Richter wies in der Nacht zum Freitag den Antrag zurück, dass Rousseff nicht ausreichend Gelegenheit für ihre Verteidigung bekommen habe. Per Eilantrag hatte dieRegierung versucht, das Verfahren vorerst zu stoppen. Das Abgeordnetenhaus kann damit bereits am Sonntag abstimmen: Stimmen zwei Drittel der Mitglieder für eine Fortsetzung des Verfahrens, und anschließend auch noch der Senat mit einfacher Mehrheit, wäre Rousseff zunächst für 180 Tage suspendiert.

Dann könnte sie zum Beispiel auch nicht am 5. August die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro eröffnen. In der Zeit der Suspendierung würden die Vorwürfe gegen sie intensiv juristisch geprüft, es geht unter anderem um angebliche Tricksereien beim Staatshaushalt. In der Zwischenzeit würde sie Vizepräsident Michel Temer ersetzen. Im Oktober könnte der Senat mit Zwei-Drittel-Mehrheit Rousseff endgültig des Amtes entheben und Tener würde bis Ende 2018 Präsident bleiben.

Seine Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) hat wie vier weitere Parteien mit Rousseff gebrochen, er ist aber weiterhin Vizepräsident. Die ursprüngliche 9-Parteien-Koalition ist so stark geschrumpft, dass die notwendigen 342 von 513 Stimmen am Sonntag im Abgeordnetenhaus erreicht werden könnten. Nach Angaben des Portals „O Globo“ zeichnet sich eine entsprechende Zwei-Drittel-Mehrheit ab. Allerdings gibt es traditionell eine sehr geringe Fraktionsdisziplin, die Regierung versucht einzelne Abgeordnete der Opposition für sich zu gewinnen.

Für Sonntag werden in Brasilien neue Demonstrationen von Gegnern und Anhängern Rousseffs erwartet. Vor allem ein milliardenschwerer großer Korruptionsskandal hat die Krise verschärft. Bei mindestens 89 Auftragsvergaben des staatlich kontrollierten Ölkonzerns Petrobras an Bauunternehmen sollen Schmiergelder geflossen sein. Gegen dutzende Politiker wird derzeit ermittelt – parteiübergreifend.

Zudem brach 2015 die Wirtschaftsleistung um 3,8 Prozent ein, das Pro-Kopf-Einkommen sank auf 28 876 Reais (7320 Euro). Im Januar waren 9,6 Millionen Menschen arbeitslos. Durch die zusätzliche politische Krise ist das Land nahezu regierungsunfähig, daher wird auch der vRuf nach Neuwahlen immer lauter.

(dpa)

http://www.epochtimes.de/

Vorgeschmack auf drohenden Generalstreik in Brasilien

Demonstration am 29. Mai in Fortaleza ...

Demonstration am 29. Mai in Fortaleza …

QUELLE: CUT.ORG.BR

São Paulo/Brasilia. Am „Nationalen Tag der Arbeitsniederlegung und Demonstrationen“ haben am vergangenen Freitag in 25 Bundesstaaten Brasiliens und in der Hauptstadt Brasília mehrere tausend Arbeitnehmer ihre Arbeit niedergelegt, um erneut gegen die Steueranpassungen, das Outsourcing-Gesetz und die vorläufigen Maßnahmen 664 und 665 zu protestieren. Letztere betreffen sowohl die Regelungen für Arbeitslosenversicherung als auch für Krankengeld und Altersversorgung. Gegner des Outsourcing-Gesetzentwurfs befürchten, dass dadurch feste Arbeitsplätze wegfallen und zudem Gehälter und Arbeitnehmerrechte reduziert werden könnten.

Der Massenprotest war von der Gewerkschaftszentrale CUT ausgerufenen worden und fand seinen stärksten Zuspruch in São Paulo, wo laut „Zero Hora Porto Alegre“ über 14.000 Stahlarbeiter 24 Stunden lang unter anderem die Werke der General Motors stilllegten. Außerdem wurden dort einige Hauptstraßen von tausenden Professoren und Studenten der Universität São Paulo (USP) blockiert. Den Angaben der Zeitung zufolge wurde die Demonstration schließlich durch Einsatz der Militärpolizei aufgelöst, wobei Duzende Demonstranten verletzt wurden. In Curitiba blockierten am Freitag einige Mitglieder der Bewegung der Landlosen (MST) eine Autobahn, in Niterói in der Metropolregion Rio de Janeiro wiederum Mitglieder der Bewegung der obdachlosen Arbeiter (Movimento dos Trabalhadores Sem-Teto) eine Zweigstelle der Bank „Caixa Econômica“. In anderen Städten, wie Porto Alegre und Belo Horizonte, wurde der öffentliche Nahverkehr stillgelegt.

… und Blockade der Autobahn in Curitiba

QUELLE: CUT.ORG.BR

Die Demonstrationen sollten laut dem Präsidenten der CUT São Paulo die landesweiten Proteste gegen die Outsourcing-Maßnahmen verstärken. Sie waren auch eine Antwort darauf, dass der Nationalkongress die Debatten und Abstimmungen für die Maßnahmen in den vergangenen Tagen forciert hat.

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