Seltsame Aktivitäten einer fremden Macht unweit des thüringischen Jonastals: Niederbringung von 30 Meter tiefen Suchbohrungen zur (angeblichen) Auffindung von Hohlräumen, sterblichen Überresten von Häftlingen und/oder Nazi-Dokumenten?

Thomas Mehner

Kaum zu glauben, aber wahr: In einem Areal, das sich unweit des mittlerweile legendären Jonastals und des Dorfes Gossel erstreckt, und in dem sich nach landläufiger Auffassung keine Untertageanlagen oder sonstige Merkwürdigkeiten, die mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs zu tun haben, befinden sollen, wurde gebohrt – durch einen bis dato geheim gehaltenen ausländischen Auftraggeber. Nachfolgend einige Bemerkungen zu einem Thema, das in den vergangenen Wochen in Thüringen für Unruhe und zahlreiche Fragen sorgte.

Seit Jahrzehnten sind das thüringische Jonastal und sein Umfeld Gegenstand von Diskussionen, Gerüchten und Recherchen. Bei Kriegsende wurden hier in die Kalksteinhänge, die unmittelbar an den Truppenübungsplatz Ohrdruf grenzen, Stollen eingebracht, die – so verschiedene Spekulationen – ein Führerhauptquartier, eine V-Waffen-Fabrik oder eine wie auch immer geartete Produktion aufnehmen sollten. Die Stollen wurden nie fertig, das Projekt aufgrund des zügigen Vormarsches US-amerikanischer Truppen unter General Patton aufgegeben.

Das ist zumindest die offizielle Auffassung.

Seit Ende der 1990er Jahre tauchten allerdings Zeitzeugenaussagen auf, die davon berichteten, dass es sich bei dem genannten Gebiet und seinem Umfeld um eine Hochtechnologiezone gehandelt habe, in der Reichspost und SS unter Tage an Geheimwaffen der zweiten Generation (Atombombe, Nachfolger der V-2-Rakete) gearbeitet hätten. Die Zahl der eingesetzten Häftlinge sei dabei weitaus höher gewesen als die Zahlen, die bisher im Zusammenhang mit dem »S III« genannten Projekt genannt wurden – die Zahl der unter teils unter unmenschlichen Bedingungen Umgekommenen ebenfalls. Und: Die Amerikaner hätten hier mehrere einsatzfähige beziehungsweise beinahe einsatzfähige Atomwaffen erbeutet …

Ich möchte das Thema hier nicht weiter vertiefen, zumal durch meinen Mitautor Edgar Mayer und meine Wenigkeit eine Reihe von Büchern verfasst wurden, die sich dem Ganzen ausführlich widmeten, heute aber in einigen Fällen nur noch antiquarisch zu haben sind.

Es versteht sich von selbst, dass die 2001 erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellte Behauptung, die Deutschen hätten während des Zweiten Weltkriegs an einer Atomwaffe gearbeitet und eine (taktische) Miniwaffe gar im März 1945 auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf gezündet, für viele Diskussionen sorgte. Bis heute polarisiert das Thema sehr stark, was mich aber nie davon abgehalten hat, meine Auffassungen offensiv zu vertreten, hatte ich doch Gelegenheit, mit diversen Zeugen selbst zu sprechen und von ihnen gegebene Hinweise anschließend zu überprüfen.

Auch die von den Alliierten nach wie vor betriebene Geheimhaltung in Bezug auf viele Hochtechnologieentwicklungen des Dritten Reiches lässt vermuten, dass die offizielle Geschichtsschreibung erhebliche Lücken aufweist – um es einmal sehr zurückhaltend zu formulieren. Ganz zu schweigen von Geheimhaltungs- und Sperrfristen, die Verhörprotokolle von an den deutschen Geheimprojekten Beteiligten betreffen, die bis zu 100 Jahre (!) betragen.

Wer sich für das Thema von Beginn an interessiert, konnte in den vergangenen Jahren vielleicht den Eindruck gewinnen, dass es um das Tal und die damaligen Ereignisse ruhig geworden sei. Schließlich hatten mein Mitrechercheur und ich keine weiteren Publikationen vorgelegt. Gewiss: Ein paar Dutzend Unentwegte recherchierten und diskutierten weiter – meist in Internetforen, in denen es leider mitunter nicht um die Sache ging, sondern um die persönliche Selbstdarstellung und den Schlagabtausch mit anderen. Meinem Kollegen und mir war so etwas stets zuwider.

Das Thema ist aber keineswegs »eingeschlafen«, ganz im Gegenteil: Beinahe wöchentlich erhielt und erhalte ich weiterführende Informationen, beinahe monatlich bekam und bekomme ich Dokumente auf den Tisch, die mich in der Auffassung bestärk(t)en, dass zu vielen Waffenentwicklungen des Deutschen Reiches bisher nichts gesagt wurde, nichts gesagt werden durfte.

Natürlich ist die offiziöse Haltung zum Thema »Jonastal und Umfeld« die, dass außer den bekannten, nicht fertiggestellten Stollen im Jonastal nichts an Untertageanlagen im näheren und weiteren Umfeld installiert wurde. Zu DDR-Zeiten versuchte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Licht ins Dunkel zu bringen, untersuchte, soweit möglich, die damals noch zugänglichen Stollenanlagen im Tal – mit mageren Ergebnissen. Diese werden bis heute vorgeschoben, wenn man behördlicherseits argumentiert, dass »da nichts ist«.

Das Problem: Die offizielle Auffassung ist de facto eine Lüge, gelang es doch zwischenzeitlich, einen Film in die Hände zu bekommen, der in den 1980er Jahren entstand und einen Erdfall im Bereich des Truppenübungsplatzes zeigt, der von einem MfS-Offizier und einem Bergbauspezialisten befahren wurde. Der Film dokumentiert, dass da unter Tage in Ansätzen etwas existierte, das man bis heute nicht wahrhaben will. Aber das ist ein ganz anderes Thema und soll deshalb an dieser Stelle nur am Rande erwähnt werden als Beispiel dafür, dass man immer gut beraten ist, offiziellen Verlautbarungen zu misstrauen.

Ein Bild aus dem Film, der während der Untersuchung eines Erdfalls auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf in den 1980er Jahren entstand. Die Aufnahme erfolgte aus dem Untergrund zur Erdoberfläche. Die schlechte Bildqualität ist auf die damals verwendete Analog-Videokamera zurückzuführen, die der ostdeutsche Geheimdienst seinerzeit im Westen beschafft hatte.

Eine Steilvorlage besonderer Art für das Thema sind aber jetzt jene Bohrungen, die in den vergangenen Wochen südlich von Gossel liefen.

Kennen Sie das Dörfchen Gossel? Nein? Kein Problem, dann kurz zur Erklärung: Es liegt auf einem Höhenplateau südlich des Jonastals. In den vergangenen Wochen war der Name des Dorfes (zumindest in Thüringen) in aller Munde, liefen doch südlich davon (unweit der alten Gosseler Landstraße in Richtung des Ortes Liebenstein auf Anhöhe 489, diese Karte gibt nur einen Grobüberblick) merkwürdige Bohraktivitäten, von denen ich am 4. November erfuhr. Einen Tag später fuhr ich mit einem Freund zum Ort des Geschehens – und tatsächlich stand dort ein Bohrgerät mitten in der Pampa! (Der Begriff ist wohlweislich gewählt, denn bei dem Areal handelt es sich um eines, in dem sich tatsächlich Fuchs und Hase »Gute Nacht!« sagen.)

Auch andere hatten von der Angelegenheit Wind bekommen. Erste Gerüchte machten die Runde, denen zufolge ein reicher Israeli dort bohren lassen würde, um nach eingelagerten Dokumenten zu suchen. Doch nichts Genaues wusste man nicht. Personen, die versucht hatten, sich der Bohrstelle, die auf Privatgrund liegt, zu nähern, wurden von zwei Wachleuten weggeschickt. Diese notierten auch Fahrzeugkennzeichen, so wurde behauptet. (Die Wachen beobachtete ich auch selbst.) Nachfragen im Dorf Gossel brachten mich nicht weiter: Dort wusste man von den Aktivitäten, aber niemand kannte den »Veranstalter« und den Zweck des Ganzen.

Im Laufe der folgenden Tage kam Bewegung in die Angelegenheit. Manch neugieriger Zeitgenosse setzte sich mit Behörden in Verbindung, wollte wissen, wer da zu welchem Zweck bohrte. Auch die Presse wurde informiert, die der Sache nun nachging. Interessant war, dass man feststellen musste, dass die Behörden mauerten und sich keineswegs so offen zeigten, wie man das angesichts des sonst immer wieder gern postulierten Geredes von »Transparenz« erwarten würde. Dies wurde beispielsweise in einem Artikel deutlich, der mit der Überschrift »Wird hier nach dem Bernsteinzimmer gesucht? Geheimbohrungen im Jonastal sorgen für Unruhe«überschrieben war und in der Thüringer Allgemeinen vom 11. November erschien. (Die Überschrift führte allerdings in die Irre, denn weder wurde im Jonastal gebohrt, sondern auf dem Gosseler Plateau, noch dürfte der Auftraggeber nach dem Bernsteinzimmer suchen.)

In einem weiteren Artikel sowie auch in einem Zwei-Minuten-Beitrag, der vom Mitteldeutschen Rundfunk gesendet wurde und leider nur kurze Zeit in der MDR-Mediathek verfügbar gewesen ist, war davon die Rede, dass man nach Hohlräumen, sterblichen Überresten von Häftlingen oder Zwangsarbeitern sowie nach Nazi-Dokumenten suche (für Einzelheiten siehe bitte die verlinkten Artikel). Die Person, die das Ganze in Gang gesetzt habe, sei ein reicher Privatmann aus Israel beziehungsweise eine internationale und/oder jüdische Stiftung, die ihren Sitz in Israel habe – so jedenfalls die kolportierte Darstellung der Medien, die im Übrigen im MDR-Film bestätigt wurde.

Das würde zumindest erklären, weshalb der Initiator der Bohrung eine Genehmigung bekam, in einem bestimmten Land des Nahen Ostens.

Einige pikante Details am Rande: Als einige Mitrechercheure und meine Wenigkeit im Dezember des Jahres 2007 versuchten, das von uns vermutete letzte Führerhauptquartier Hitlers bei Bittstädt am dortigen Eulenberg bohrtechnisch zu lokalisieren, wurde uns nach kurzer Zeit die Fortsetzung der Bohraktivitäten behördlich untersagt mit der Begründung, wir würden in einer Trinkwasserschutzzone, Stufe II, arbeiten. Eine von einer übergeordneten Behörde erteilte Genehmigung für unsere Aktivitäten wurde dabei ignoriert; mehr als 15 000 Euro lösten sich in Rauch auf.

Interessant am Thema »Trinkwasserschutzzone bei Bittstädt« ist der Umstand, dass diese im Dezember 2007 in ihrer Wertigkeit hochgestuft wurde (von III auf II), was unseren Aktivitäten zum Verhängnis wurde. Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man als einheimischer Rechercheur anders behandelt wird als jemand, der beispielsweise aus den USA oder Israel kommt. Und die ganze Trinkwasserschützerei ist ohnehin paradox, wenn man weiß, dass westlich von Arnstadt (beziehungsweise an seinem Westrand) eine zu DDR-Zeiten angelegte Müllhalde existiert, die Teil der Trinkwasserschutzzone ist und die nicht nur normale Hausabfälle, sondern auch hochproblematische Industrieabfallprodukte aufnahm. Aber das verschweigt man lieber. Es passt nicht ins Konzept.

Es ergeben sich einige Feststellungen und/oder Fragen:

  1. Wer immer südlich von Gossel bohren mag, hat bisher eine ordentliche Summe Geld investiert. Es dürften bisher schon mehrere Zehntausend Euro gewesen sein. Niemand wird einen solchen Betrag quasi in den Sand respektive Kalkstein setzen, wenn nicht Ergebnisse zu erwarten sind. Die Bohrungen wurden beendet, die Bohrlöcher verrohrt (Plastik). Demnächst soll in die Rohre Mess- beziehungsweise Ortungstechnik (Schallwellen) eingebracht werden, um im Umfeld befindliche Hohlräume zu lokalisieren. Das kostet sicherlich nochmals einen schönen Batzen Geld.
  2. Welcher Art die Ergebnisse sein könnten, bleibt im Moment Spekulation. Die bisher geäußerte Suche nach den sterblichen Überresten von Zwangsarbeitern und Häftlingen kann den Tatsachen entsprechen, muss es aber nicht. Eine solche Erklärung kann genauso gut vorgeschoben sein, um das, worum es wirklich geht, nicht offensichtlich werden zu lassen. Gerade dann, wenn von einer Stiftung die Rede ist, sollte man die Ohren spitzen: Dahinter kann sich alles Mögliche verbergen, Geheimdienste eingeschlossen.
  3. Sucht man nach Hohlräumen, in denen man etwas zu finden hofft, dann muss man sich schon sehr wundern, dass es an dieser Stelle (beziehungsweise unter ihr oder in deren Umfeld) solche geben soll, den offiziellerseits wird – ich muss mich leider wiederholen –seit Jahrzehnten behauptet, dass nur das Jonastal mit seinen bekannten, nie fertiggestellten Stollen relevant sei. Die derzeitige Suche beweist, dass hier seit Jahren gelogen wurde. Irgendwer hat hier nicht nachgedacht beziehungsweise sich, wie man so schön sagt, selbst ins Knie geschossen.
  4. Es stellen sich zwei Fragen für den Fall, man entdeckt Häftlingsüberreste: Wie verhält es sich eigentlich mit der Totenruhe? Darf diese gestört werden?
  5. Besonders brisant: Ausländer suchen nach Nazi-Dokumenten? Was muss in solchen Papieren stehen, dass ein solcher Aufwand gerechtfertigt erscheint und man das auch (mittlerweile) vor aller Augen tut? Im Übrigen: Diese Dokumente sind deutsches Eigentum. Wer stellt sicher, dass sie das auch bleiben? Oder ist jetzt schon behördlicherseits abgenickt worden, dass all das, was gefunden wird, geborgen und außer Landes geschafft werden darf?

Was ist aber nun, wenn die bisher bekannt gewordenen Gründe für die südlich von Gossel gelaufenen Bohraktivitäten ganz anderen Zwecken dienen? Hat der namentlich nicht genannt sein wollende Initiator vielleicht ganz andere Informationen vorliegen, die mit damaliger deutscher Hochtechnologie zu tun haben, also dem, was ich seit Jahren favorisiere? Unmöglich erscheint das nicht, hat es doch immer wieder Funde in Archiven gegeben, die jahrzehntelang unbeachtet blieben, dann aber eine Neubewertung erfuhren. Nicht zu vergessen ist, dass es seit Jahren Hinweise gibt, die besagen, dass dasisraelische Nuklear(waffen)programm auch durch während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland arbeitende Physikerunterstützt wurde. Freilich schweigt man sich dazu lieber aus, zu peinlich könnten ja die diesbezüglichen Enthüllungen sein.

Zum Schluss soll nicht unerwähnt bleiben, dass bereits im Frühjahr diesen Jahres Bohrungen südlich von Gossel beziehungsweise im Gebiet von Liebenstein stattgefunden haben sollen, die allerdings nur gerüchtehaft bekannt wurden. Genauso gerüchtehaft wurde mir berichtet, dass der »Veranstalter« derselbe gewesen sei, ja, dass der Antrag von höchster israelischer Stelle verfasst worden sei. Mir wurde dazu ein Name genannt, den ich aber im Moment noch nicht preisgeben möchte. Doch wie dem auch sei: Viele Interessierte und ich werden ein waches Auge darauf haben, was weiterhin in diesem Gebiet geschieht.

Wozu man aber den Behörden in jedem Falle gratulieren kann, ist, dass sie mit ihrer ganzen Geheimniskrämerei die Spekulationen um das Gebiet weiter angeheizt haben. Zudem haben sie etwas anderes Entscheidendes getan: einen Präzedenzfall geschaffen. Sollten möglicherweise in Zukunft an sie herangetragene Wünsche für Bagger- oder Bohrarbeiten in diesem Gebiet, die der Aufklärung der zeitgeschichtlichen Fragen dienen und von Einheimischen, das heißt: Deutschen, kommen, abgelehnt werden, weiß jeder, dass etwas oberfaul ist im Staate Deutschland. Es bleibt abzuwarten, ob die Behörden den Beweis dafür liefern wollen.

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