Superwanze Handy – und was dagegen hilft!

Redaktion

Wer hat sich nicht schon mal darüber geärgert: Mit einem Handy kann man zwar telefonieren, SMS senden, Fotos machen und mit Smartphones sogar chatten, navigieren und vieles andere mehr. Aber gleichzeitig ist ein Mobiltelefon eine Superwanze, die nicht nur hören, sehen und den Standort bestimmen, sondern auch Adressbücher, Texte, Tagebücher und Dokumente abgreifen kann. Ob und wie man sich schützen kann, lesen Sie hier.

Die Situation erscheint ausweglos, denn wer will schon auf die Vorteile eines Handys verzichten – erst recht eines modernen »Smartphones«: Telefonieren, Fotos machen, Chatten, SMS senden, Navigieren und vieles andere mehr. Andererseits muss man bei jeder neuen App alle möglichen Zugeständnisse in Sachen Datenschutz machen.

Frech verlangen die Applikationen Zugriff auf sensible Daten, die oft weit über den Bedarf der jeweiligen Anwendung hinausgehen – vom Adressbuch bis zur GPS-Position. Und schon beim Kauf einer SIM-Card oder dem Abschluss eines Handy-Vertrags muss man sich registrieren und eventuell sogar den Ausweis vorlegen. So sind jede Kommunikation und jeder Standort gegebenenfalls auch für Behörden, Firmen und Kriminelle nachvollziehbar – oder ist das etwa ein und dasselbe?

  • 2005 hat der Mobilfunkanbieter Vodafone in Ungarn alle 15 Minuten den Standort seiner Mitarbeiter anhand ihrer Handy-Daten ermittelt und gespeichert. Erst ein Gericht konnte den Datenmissbrauch stoppen.
  • Zwischen 2005 und 2006 bespitzelte die Deutsche Telekom im großen Stil Journalisten und Arbeitnehmervertreter, Manager und Betriebsräte anhand ihrer Handy-Verbindungsdaten. Dabei hatte es die Telekom auf »die wichtigsten über die Telekom berichtenden Journalisten und deren private Kontaktpersonen« abgesehen; auch die Bewegungen der Schnüffelopfer wurden erfasst.
  • 2014 wurden mehrere Fälle von deutschen Bundestagsabgeordneten bekannt, deren Mobiltelefone überwacht wurden.
  • Auch das gezielte Abhören ist in der Regel nur möglich, wenn die Handynummer des Betreffenden bekannt ist, egal ob nun Minister in Griechenland (die zwischen 2004 und 2005 abgehört wurden) oder die deutsche Bundeskanzlerin (Quelle: daten-speicherung.de).

Kurz und gut: Jedes Handy ist ein einziges Datendesaster. Denn ein Handy ist ja nun mal keine Einbahnstraße, sondern eine Datenschleuder, die in alle Richtungen funktioniert. Aber wer will das schon? Wer wollte sich allen Ernstes eine Superwanze in die Tasche stecken, die jeden, der will und kann, über unser Leben auf dem Laufenden hält?

Die Honigfalle des Orwell-Staates

Handys sind die Honigfalle des Orwell-Staates: Da sie jeder will und jeder braucht (oder das zumindest glaubt), befindet sich auch jeder auf dem Radarschirm von Diensten, Behörden, Hackern und Unternehmen – wobei die Grenzen fließend sind. So genannte »Sicherheitsbehörden« wie Polizei und Geheimdienste können »zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags von den Telekommunikationsunternehmen aus deren Kundendateien Auskünfte über Namen und Anschriften der Inhaber von Rufnummern« erhalten, heißt es im Jahresbericht 2008 der Bundesnetzagentur.

Und wer jetzt glaubt, dass das nur im Einzelfall vorkommt, der irrt. In Wirklichkeit bespitzeln uns die »Sicherheitsbehörden« im ganz großen Stil (wobei »Sicherheit« nur ein Euphemismus für Unterdrückung ist, genauso wie »Verteidigung« ein Euphemismus für Krieg ist). Nehmen wir zum Beispiel einmal die Zahl 1000: Das ist nicht etwa die Zahl der Abfragen von Kundendaten, sondern die Zahl der Behörden, die schon 2008 »bei 120 Telekommunikationsunternehmen entsprechende Bestandsdaten abrufen« konnten.

Die Zahl der Zugriffe von »Sicherheitsbehörden« auf Namen und Adressen von Telefon-, Internet- und Handykunden betrug 2008 4,2 Millionen. 2012 waren es schon sieben Millionen. »Derzeit können mehrere Tausend Kräfte von bei der Bundesnetzagentur registrierten Behörden bei ca. 135 TK-Diensteanbietern entsprechende Bestandsdaten abrufen«, heißt es im Tätigkeitsbericht der Bundesnetzagentur vom Dezember 2013 (S. 265).

Das heißt, dass Tausende von Beamten verschiedener Behörden dauernd in den »jederzeit verfügbaren« Bestandsdaten der Telekommunikationskunden herumkramen, ohne dass diese das überhaupt mitbekommen. Ein großer Teil der Abfragen betrifft natürlich Handynutzerdaten.

Ein Zugriff durch »Sicherheitsbehörden« wie Geheimdiensten bedeutet aber gleichzeitig häufig einen Zugriff durch Kriminelle – denn Behörden wie Geheimdienste sind nun mal nicht an das Legalitätsprinzip gebunden und daher der kriminelle Arm des Staates. Die Grenzen zwischen Geheimdiensten, Mafia und organisiertem Verbrechen sind fließend. Oder besser: Geheimdienste sind organisiertes Verbrechen. Wer wollte diesen Leuten schon seine Daten und vielleicht sogar seinen Standort und sein Bewegungsprofil überlassen?

Finger weg von Handy-Verträgen

Die Schnüffelei fängt schon damit an, dass man bei Abschluss eines Handy-Vertrags seine echten Daten und eine echte Kontoverbindung angeben muss. Denn ohne echte Identität würde ja die Abwicklung des Vertrags nicht funktionieren. Damit ist man also bereits im Überwachungsnetz gefangen.

Regel Nr. 1 lautet also: Finger weg von Handy-Verträgen und Lock-Angeboten von »Ein-Euro-Handys« (die man im Verlauf des Vertrags sowieso auf Heller und Pfennig abstottern muss)!

Regel Nr. 2: Eine Prepaid-SIM-Karte ist daher die erste Bürgerpflicht. Aber welche? Denn siehe da: Auch beim Kauf einer Prepaid-SIM-Karte verlangen manche Telefonshops eine echte Identität und einen Ausweis. Falls nicht (z.B. wenn man die Karte in einem Supermarkt kauft), fordern die SIM-Card-Provider die Daten bei der Freischaltung der Karte auf ihrer Website. Denn dazu sind sie gesetzlich verpflichtet.

Zwar hatte dagegen 2005 unter anderem der promovierte Jurist und zeitweise Amtsrichter Patrick Breyer vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Breyer sah durch die Datenerfassung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auf anonyme Kommunikation verletzt. Doch am 24. Januar 2012 wurde die Klage abgewiesen und die Pflicht zur Datenerhebung durch die Handy-Provider abgesegnet (1 BvR 1299/05). Denn »der hierdurch bewirkte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung« sei ja »nur von begrenztem Gewicht…«

In Wirklichkeit kann man diese Datenerhebung aber nicht isoliert sehen, sondern muss sie zu den Daten hinzurechnen, die von jedem Bürger jeden Tag irgendwo erhoben und verknüpft werden und bereits irgendwo kursieren können. Jede weitere Datenerhebung bringt da das Fass zum Überlaufen. Im August 2012 reichte Breyer, inzwischen Landtagsabgeordneter der Piratenpartei in Schleswig-Holstein, daher Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein.

Hilfspolizisten des Staates

Bis zu einer Entscheidung müssen sich die Provider weiter als Hilfspolizisten und Datensammler des Staates aufspielen und die Daten ihrer Kunden abgreifen. Zur Überprüfung der Angaben anhand eines Ausweises (zum Beispiel in einem Telefonladen) sind sie in Deutschland jedoch nicht verpflichtet. Wer eine anonyme (oder besser: pseudonyme) SIM-Karte will und beim Kauf nach einem Ausweis gefragt wird, sollte also das Weite suchen.

Im Gegensatz zum Mobilfunkanbieter, der zur Erhebung von Name, Anschrift und anderen Daten verpflichtet ist, ist der Kunde gesetzlich nicht verpflichtet, seine richtigen Daten anzugeben. Mit anderen Worten kann man sich also im Supermarkt oder Drogeriemarkt eine (echte) Prepaid-Karte besorgen, in ein Internetcafé gehen und diese auf eine Fantasie-Identität registrieren. Da viele Mobilfunkanbieter eine Bestätigungsmail versenden wollen, benötigt man auch eine pseudonyme E-Mail-Adresse, die man ebenfalls am besten in einem Internetcafé anlegt.

Wer bei der Freischaltung im Internet eine Fantasie-Identität angeben will, sollte natürlich auch das Handy anonym gekauft und bar bezahlt haben. Neben den »echten Prepaid-Karten«, die wirklich nur mit dem (bar!) aufgeladenen Guthaben telefonieren können, gibt es auch so genannte »Pseudo-Prepaid-Karten«, deren Guthaben auch in den Soll-Bereich gehen und anschließend von Kontoverbindungen abgebucht werden kann.

Diese Karten erkennt man spätestens daran, dass man bei der Freischaltung eine Kontonummer und die Zustimmung zu einer Bonitätsauskunft geben muss – womit jede erfundene Identität natürlich auffliegen würde. Finger weg davon – denn erstens wird damit Ihre echte Identität offengelegt, zweitens kann sich der Mobilfunkanbieter gegebenenfalls auch von Ihrem Konto bedienen. Man hat also keine echte Kostenkontrolle.

Wohlgemerkt geht es hier nicht um Schutz vor Strafverfolgung oder Tipps für kriminelle Machenschaften. Sondern wer vom Staat, Geheimdiensten und anderen kriminellen Organisationen beschnüffelt wird, muss selbst wie ein Geheimdienst handeln. In der NSA-Welt von heute ist das reine Gefahrenabwehr und bürgerliche Verteidigung von Grundrechten.

Tauschbörse für SIM-Karten

Es gibt jedoch noch weitere Möglichkeiten, sich vor der Handy-Schnüffelei zu schützen, die sich mit einer Fantasie-Identität auch kombinieren lassen. Dem Landtagsabgeordneten Breyer hat die Sache nämlich keine Ruhe gelassen, und so hat er schon vor einiger Zeit eineTauschbörse für Handy-SIM-Karteneingerichtet: Hier kann man seine (möglichst bereits anonymisierte) SIM-Karte einschicken und bekommt dafür eine andere zugeschickt. Sämtliche Informationen dazu findet man auf seiner umfassenden Datenschutzseitewww.daten-speicherung.de. Hier kann man sich über die gesamte »elektronische Datenschutzproblematik« informieren.

Ein weiterer Tipp: »Es ist möglich, Prepaid-Handykarten zu kaufen, die bereits registriert sind, beispielsweise auf Flohmärkten, bei manchen Handy-Shops, über Internet-Marktplätze (z.B. Hood, eBay) und bei Online-Shops (z.B.geschenkeprofi.com, anonym-phone.de). Allerdings kennt der Online-Verkäufer dann Ihre Identität.«

Anfang vom Ende der »Superwanze«

Eine Fantasie-Identität ist allerdings nur der Anfang vom Ende der »Superwanze Handy«. Eine weitere Baustelle sind die SIM-Karten von Kontaktpersonen, deren Nummern mit Ihrer verknüpft werden können – also die Telefonnummern des Ehegatten, von Freunden, Arbeitgebern, Kindern und so weiter.

Im Prinzip müssten auch die wichtigsten Kontaktpersonen mit einer Fantasie-SIM-Identität ausgestattet werden, da die eigene Identität mittels Verknüpfung sonst schnell aufgedeckt werden kann. Ein weiteres Thema sind die Google und AppleIdentitäten, die man (bei Smartphones) für die jeweiligen »App-Stores« benötigt und die wiederum mit echten Kontoverbindungen verknüpft sind.

Dass man sein Smartphone erst gar nicht mit Google verknüpft, ist daher Ehrensache. Wenn die SIM-Karten-Strategie hier zum Tragen kommen soll, muss darauf verzichtet werden. Eine Alternative bieten Open-Source-App-Stores wie beispielsweise F-Droid, Droid-Break oderAOpenSource.com. Mehr dazu hier.

Denn merke: Der beste Datenschutz besteht darin, erst gar keine (gültigen) Daten in die Welt zu setzen.

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